Städtevergleich Kiel-Flensburg: Privatisierung kommunaler Energieversorgung oder doch besser nicht?

In seinem Interview-Feature „Vom Strom geleitet. Privatisierung von kommunalen Energieversorgern“ montiert Matthias Günther für Deutschlandradio Kultur die unterschiedlichen kommunalen Energiekonzepte der beiden Städte Kiel und Flensburg gegeneinander. Während die Kieler 51 Prozent ihrer Stadtwerke abgestoßen haben, kommt für die Flensburger ein Verkauf erst gar nicht infrage. Ihre Stadtwerke machen satte Gewinne und sichern viele Arbeitsplätze.

Flensburgs Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner lächelt, wenn man ihn nach den Stadtwerken fragt. Umsatz, Gewinn und die Zahl der Mitarbeiter steigen. Und es gibt durchaus Konzerne, die die Stadtwerke kaufen möchten – aber das kommt nicht infrage, sagt der parteilose Verwaltungschef. Die kreisfreie Stadt im Norden Schleswig-Holsteins an der dänischen Grenze will 100-prozentige Eigentümerin ihrer Stadtwerke bleiben und sich selbst um Wasser, Strom, Gas und Fernwärme kümmern. Klaus Tscheuschner nennt die Vorteile:

„Wir können selbst bestimmen, ob wir stärker auf regenerative Energien setzen, wir können bestimmen, ob wir Lieferungen aus Atomkraftwerken wollen – da haben wir bisher gesagt, das wollen wir nicht, das wird auch so bleiben, da kommen also gar keine Lieferungen her -, und wir bleiben Herr im eigenen Hause, und bestimmen damit letztlich auch die Beschäftigten- und Auszubildenden-Zahlen.“

Eine knappe Autostunde südlich von Flensburg liegt die Landeshauptstadt Kiel. Sie hat die Mehrheit an ihren Stadtwerken – genau 51 Prozent – verkauft. Die Stadt ist dadurch nicht mehr Herr im Hause, sie kann also nicht allein entscheiden, ob und wie viel Atomstrom genutzt wird und auch nicht, ob und wie viel Personal eingespart werden soll. Kiels Oberbürgermeisterin Angelika Volkwartz von der CDU beschreibt den verbliebenen städtischen Einfluss:

„Man kann fast 50 Prozent der Unternehmensentscheidungen beeinflussen, das heißt, wir entscheiden partnerschaftlich, und wir entscheiden über die Dividende, die sich natürlich ausschließlich orientieren kann an der wirtschaftlichen Situation, und es werden alle strukturellen Veränderungen, die ja auch bei den Stadtwerken zwingend vorgenommen werden müssen, auch was die personelle Situation anbetrifft, das ist genau wie bei uns im Rathaus, die werden kameradschaftlich besprochen, und wir sind im Aufsichtsrat vertreten, das heißt, die Entscheidungen werden mit uns gemeinsam getroffen.“

Die Stadt Kiel hatte den 51-prozentigen Anteil ihrer Stadtwerke im Jahre 2000 für 230 Millionen Euro verkauft. Mit einem Teil des Erlöses wurde der städtische Busverkehr neu strukturiert, um die Verkehrsgesellschaft im Wettbewerb zu stärken. Die Entscheidung zur Teilprivatisierung war in der Ratsversammlung einstimmig gefallen.

„Man muss ja sehen, dass durch diesen Verkauf damals einmal eine Entschuldung stattgefunden hat, und diese Entschuldung hat ja zu Zinseinsparungen geführt. Und der Vorteil beträgt also jährlich für die Stadt – dauerhaft – immer noch 30 Millionen Euro. Das ist unheimlich viel Geld. Das ist genau die Summe, die wir für Kultur ausgeben pro Jahr.“

Auch heute, sieben Jahre später, steht die große Mehrheit der Kommunalpolitiker in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt zu dem Teilverkauf. Das gilt nicht nur für CDU und Grüne, die in der Kieler Ratsversammlung zusammenarbeiten, das gilt auch für die oppositionelle SPD, wie deren Fraktionsvorsitzende Kathy Kietzer – mit dänischem Akzent – versichert:

„Also mit unserer Teilprivatisierung sind wir eigentlich zufrieden. Die Verträge wurden gut ausgehandelt, es erfolgte bei dem Verkauf der Stadtwerke-Anteile eine enorme Entschuldung der Landeshauptstadt, was dann auch zu einer Annäherung des ausgeglichenen Haushalts führte – dadurch, dass dann auch Zinseinsparungen eingebracht werden konnten.“

Und während die Stadt Kiel vor der Teilprivatisierung keine Dividende bekam, fließen jetzt für die nur noch 49-prozentige Beteiligung jährlich ein bis zwei Millionen Euro in den städtischen Haushalt. In der Stadt Flensburg, die nur etwas mehr als ein Drittel der Einwohner Kiels hat, werfen die Stadtwerke mehr ab. Auch aus diesem Grund will die große Mehrheit der Ratsversammlung in Flensburg ihre Stadtwerke nicht verkaufen. Das ist ganz im Sinne von Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner:

„Wir haben jährliche Gewinn-Abführungen, die so zwischen drei und neun Millionen Euro liegen, und dieser Effekt wäre ja auch nachhaltig weg, wenn wir es verkaufen. Und von daher sagen wir: Die gesunde Kuh, wenn ich mal das Beispiel bemühen will, die gesunde Kuh, die wir nachhaltig melken können, ist uns lieber als ein einmaliger Verkaufserlös.“

Dabei könnte die Stadt Flensburg nach einem Verkauf ihrer Stadtwerke sogar alle Schulden zurückzahlen und müsste gar keine Zinsen mehr zahlen. Aber in der Diskussion um das Für und Wider einer Privatisierung oder Teilprivatisierung von Stadtwerken geht es nicht nur um die direkten Auswirkungen auf den jeweiligen städtischen Haushalt. Es geht auch um die Frage, ob Stadtwerke in liberalisierten Märkten allein bestehen können. Die Stadt Kiel entschloss sich, gemeinsam mit einem sogenannten Global Player in die Zukunft zu gehen. Im Jahre 2000 verkaufte sie zunächst die Mehrheit der Anteile ihrer Stadtwerke an den texanischen Energieversorger TXU verkauft. Barbara Neumann, die Vorsitzende des Betriebsrates der Kieler Stadtwerke, erinnert sich an die Folgen:

„Wir sind ja erstmal zu 51 Prozent von TXU übernommen worden, waren damit das erste kommunale Stadtwerk, was also einen ausländischen Investor hatte, von der Stimmung her im Unternehmen war das sehr gespalten, es war auch zu Anfang fast eine Aufbruchstimmung zu spüren, ich meine es ist klar, TXU ist ein internationales Unternehmen, wir hatten dann auch plötzlich europäische Kontakte, da waren sicherlich viele positive Aspekte zu sehen, was das angeht, auf der anderen Seite war aber ein – ja – externer Investor, ein nicht kommunaler Investor auch daran interessiert, die Dividenden nach oben zu fahren, das ist auch passiert, mit allen möglichen Mitteln, bis hin zum Verkauf von nicht betriebsnotwendigen Grundstücken oder Immobilien usw., also alles was das Herz begehrt, was das angeht.“

Als TXU aber mit seiner Europasparte Insolvenz anmeldete, übernahm die Mannheimer MVV-Gruppe die Anteile. Und dort sind die Stadtwerke Kiel nach Ansicht ihres Vorstandsvorsitzenden Stefan Grützmacher auch gut aufgehoben.

„Es ist ja so, dass wir eben halt auch als Stadtwerke Kiel jetzt nicht mehr alleine dastehen. Wir sind Mitglied der MVV-Gruppe, des sechstgrößten Energieversorgungsunternehmens in der Bundesrepublik Deutschland. Und die MVV ist im Übrigen auch ein ehemaliges Stadtwerk, daher keiner der vier Großen, was ich auch für außerordentlich wichtig halte, sondern auch ein kommunal geprägtes Unternehmen. Aber wir sind dabei, ein bundesweites Netzwerk aufzubauen von Stadtwerken wie den Stadtwerken Kiel, wie der MVV-Energie-AG, aber auch der Energieversorger in Offenbach, in Solingen oder Ingolstadt. Und wir sind dabei, hier in dieser Gruppe auch Dinge gemeinsam zu machen, zum Beispiel in der IT, wie arbeiten in der IT zusammen, haben eine gemeinsame IT-Gesellschaft gegründet, haben eine gemeinsame Abrechnungsgesellschaft gegründet, das sind einfach Dinge, wo es wichtig ist, eine gewisse Größe zu haben, und die schaffen wir so.“

Knapp 100 Kilometer weiter nördlich überzeugen solche Gründe nicht. Die Stadtwerke Flensburg kommen nach Überzeugung des Vorsitzenden der Geschäftsführung, Matthias Wolfskeil, auch in Zukunft allein besser über die Runden:

„Wir brauchen auch in der Zukunft keinen starken Partner, weil all die Stärken, die uns ein Partner geben kann, beherrschen wir selbst, und werden wir auch in Zukunft weiter ausbauen. Die Stärken begründen sich aus der Eigenständigkeit und der Unabhängigkeit. So sind wir in der Lage, selbst nachzudenken, was für das Unternehmen richtig ist, und werden nicht von Dritten, großen Konzern-Unternehmen, gesteuert.“

Die besondere Lage, in der sich die Stadtwerke Flensburg befinden, lässt ihren Chef so selbstbewusst auftreten:

„Wir sind ja von der Erzeugung her unabhängig gegenüber Dritten. Das heißt, wir stellen unsere ganze Energie und unser Wasser selbst her, in eigenen Kraftwerken mit der Kraft-Wärme-Kopplung – heute noch innovativ und vor 30 Jahren innovativ. Ein Dritter hätte immer das Interesse, uns Energie zu liefern. Das heißt, wir würden unsere eigene Erzeugung verdrängen. Aber nicht nur das: ein Dritter hätte auch Interesse daran, Dienstleistungen – sei es Buchhaltung, sei es Controlling, sei es Einkauf – hier in der Region zu implementieren, sprich: uns anzubieten, dass wir diese Leistungen abnehmen, und das wiederum würde eine Verdrängung von Arbeitsplätzen zur Folge haben. Genau das sieht man ja auch bei einigen anderen Stadtwerken.“

Zum Beispiel in Kiel. Dort ist es ja gerade das erklärte Ziel, im Verbund mit anderen Stadtwerken der MVV-Gruppe bestimmte Aufgaben gemeinsam zu erledigen, um mit weniger Personal auszukommen. In mehreren Wellen wurden schon einige Hundert Arbeitsplätze eingespart. Kiels Oberbürgermeisterin Angelika Volkwartz ist nicht glücklich darüber, wenn in der Landeshauptstadt Arbeitsplätze wegfallen. Aber die Stadt als Anteilseignerin hat den Kurs der Unternehmensleitung mitgetragen, sagt sie:

„Wenn wir heute sagen müssen, wir müssen Personal einsparen, ist das für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer immer eine Unruhe, die erzeugt wird, und es ist immer Kummer. Entscheidend ist hier, dass sowohl bei den Stadtwerken als auch bei uns das alles sozialverträglich über Fluktuation läuft. Und bei der Stadt wird niemand gekündigt, und die Stadtwerke haben ein ähnliches Prinzip gewählt und auch gearbeitet mit Abfindungen. Das heißt, kein Mensch hat seine Existenz verloren und sitzt jetzt auf der Straße. Und deshalb haben wir auch dem Vorgehen der Stadtwerke zugestimmt.“

Die Betriebsratsvorsitzende Barbara Neumann bestätigt das mit Einschränkungen:

„Wir haben betriebsbedingte Kündigungen ausgeschlossen bis 2010, jetzt sogar bis Mitte 2012, es wird also sozialverträglich abgebaut, aber nichtsdestotrotz ist es, ja, die Arbeitsplätze sind weg, es ist also gesellschaftspolitisch oder volkswirtschaftlich schon ein ziemlicher Einbruch – muss man wirklich sagen. Das ist aber insgesamt in der Branche auch zu verzeichnen. Wir sind da leider keine Ausnahme. Es sind ja mittlerweile in der Bundesrepublik 200.000 Arbeitsplätze abgebaut worden in unserer Branche.“

Und zwar unabhängig davon, ob es sich um kommunale, teilweise oder ganz privatisierte Stadtwerke handelt, so die Kieler Betriebsratsvorsitzende.

„Ich denke mal, das hat nicht ursächlich etwas mit der Privatisierung zu tun, sondern mit der Entwicklung auf dem Energie-Markt, also sprich mit der Liberalisierung der Energie-Märkte. Dadurch gerieten die Unternehmen unter Druck, also auch unter Kostendruck, und was dann zuerst passiert, ist klar: Personalabbau.“

Seit 1999 ist diese Entwicklung zu beobachten. Bei den Stadtwerken Flensburg allerdings ist die Zahl der Beschäftigten in dieser Zeit sogar noch gestiegen – von 700 auf jetzt 800 Mitarbeiter, von denen 60 Auszubildende sind. Das Unternehmen hat die Liberalisierung genutzt, um seinen Tätigkeitsbereich über das Stadtgebiet hinaus auszudehnen. Heute verkaufen die Stadtwerke Flensburg schon mehr als 40 Prozent ihres Stroms außerhalb von Flensburg, in den kommenden Jahren soll dieses Geschäftsfeld weiter ausgebaut werden – auf das Doppelte oder Dreifache. Auch ohne einen großen Partner und ohne Mitgliedschaft in einem Verbund – so Unternehmenschef Matthias Wolfskeil – könne man den Kunden eben ein attraktives Angebot machen:

„Trotz Eigenständigkeit und trotz Full-Service, was wir bieten, auch über die Region hinaus, haben wir nachweislich seit Jahren schon die günstigsten Fernwärme-Preise in Deutschland und gehören zu den günstigsten Stromanbietern.“

Aber auch bei den teilprivatisierten Stadtwerken Kiel scheinen die Kunden zufrieden zu sein. Bei Oberbürgermeisterin Volkwartz gehen tagtäglich zu allen möglichen Themen viele Beschwerden ein – über die Stadtwerke allerdings so gut wie nie, sagt sie. Die Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Kieler Ratsversammlung, Kathy Kietzer geht ebenfalls davon aus, dass die Kunden der Stadtwerke im Großen und Ganzen zufrieden sind.

„Ich glaube nicht, dass die Verbraucher viele Beschwerden haben. Es sind eher organisierte Gruppen – attac hat natürlich Zulauf zu dem Thema, das ist völlig klar. Aber die Leute sind treu zu den Stadtwerken, sehen das auch als ein Kieler Unternehmen, das auch viel Gutes tut insgesamt. Beschwerden haben wir eigentlich nicht vernommen.“

Für den Chef der Stadtwerke Kiel, Stefan Grützmacher, ist es ja auch gerade ein Ziel der Teilprivatisierung, die Kunden so gut wie möglich zu bedienen – und – jedenfalls nicht schlechter als vorher:

„Natürlich haben wir versucht und versuchen wir, die guten Leistungen, die wir auch vor der Teilprivatisierung den Kunden erbracht haben, auch weiterhin so zu bringen. Idealerweise merkt der Kunde gar nicht, ob wir nun ein 100 Prozent kommunales Unternehmen oder auch ein Energieversorgungsunternehmen mit einem privaten Anteilseigner sind. Die Stadtwerke Kiel sind hier in Kiel für ihre Kunden da, für den Kunden hier in Kiel erreichbar.“

Allerdings, so Grützmacher, könne es bei den teilprivatisierten
Stadtwerken Kiel auch nicht nur um die momentanen Interessen der Kunden gehen, man müsse auch die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens im Blick haben:

„Ich glaube, ganz wichtig ist, dass wir neben dem Berücksichtigen der berechtigten Interessen der Bürgerinnen und Bürger – vertreten durch die Politik – wir aber nicht ausschließlich danach handeln müssen, sondern wir können natürlich auch nach den Gesetzen handeln, die unser Markt bestimmt. Und die Energieversorgung ist seit zehn Jahren liberalisiert, das heißt, es ist eben halt auch ein Markt, der sich entwickelt hat, und da ist es wichtig, dass auch hohe Fachkompetenz in den Gremien und bei den Aktionären ist, um eben auch wirklich die Herausforderungen zu meistern, die vor uns stehen.“

Für die Herausforderungen der Zukunft sehen sich auch die Stadtwerke Flensburg gewappnet. Weil diese aber zu 100 Prozent in städtischer Hand sind, kann die Stadt mit ihnen zusätzlich politische Ziele verfolgen. Flensburgs Oberbürgermeister Klaus Tscheuschner sieht darin einen großen Vorteil.

„Anders als große private Unternehmen sind wir nicht darauf aus, nur Gewinn-Maximierung zu betreiben. Das heißt, wir können immer noch versuchen, ein gesundes wirtschaftliches Unternehmen – Stadtwerke Flensburg – zu betreiben und gleichzeitig Standortfaktoren mit zu bestimmen. Wir können selbst bestimmen, welche Energie-Preise, welche Wärme-Preise wir in Flensburg haben, die sind bundesweit immer in der Spitzengruppe, d.h. wir haben sehr, sehr günstige Preise, und das ist eben auch Standort-Politik, in dem wir eben auch neue Unternehmen mit diesen günstigen Energie-Preisen anwerben können.“

Während in Flensburg die Stadtwerke komplett im Eigentum der Stadt bleiben sollen, steht man in Kiel vor der Frage, ob weitere Anteile verkauft werden sollen. Der Vertrag mit der Mannheimer MVV-Gruppe, die bereits 51 Prozent hält, sieht diese Möglichkeit vor. Die Entscheidung liegt bei der Stadt Kiel. Die SPD-Fraktion in der Ratsversammlung, die der bisherigen Teilprivatisierung zugestimmt hatte, will aber keine weiteren Anteile verkaufen – weder an den Stadtwerken noch an der Kieler Verkehrsgesellschaft, erklärt die Fraktionsvorsitzende Kathy Kietzer:

„Zu einer weiteren Privatisierung sind wir nicht bereit. Wir sehen eigentlich die Grenzen hier absolut erreicht, das heißt also: Bei 49 Prozent in Bezug auf die Stadtwerke oder bei 51 Prozent in Bezug auf die Busgesellschaft KVG ist nach wie vor ein großer Einfluss der Stadt gewährleistet, und das sehen wir auch als zwingend erforderlich.“

Für die Fraktionen von CDU und Grünen, die die Mehrheit in der Kieler Ratsversammlung stellen, steht das Thema zurzeit noch nicht auf der Tagesordnung. Und Oberbürgermeisterin Volkwartz von der CDU will zunächst alle Möglichkeiten gründlich prüfen. Ein Grundsatz darf ihrer Ansicht nach bei den Themen Wasser, Strom, Gas und Wärme nicht außer Acht gelassen werden:

„Wir müssen eine anständige Daseinsvorsorge für die Menschen in unserer Stadt bieten. Und diese Daseinsvorsorge darf nicht der Beliebigkeit des Marktes überlassen werden.“

Im Übrigen sei die Frage der Privatisierung kommunaler Leistungen stets ein schwieriger Abwägungsprozess zwischen den Ansprüchen der Bürger und den finanziellen Auswirkungen einer Entscheidung, sagt die Oberbürgermeisterin und nennt das Beispiel Abwasserentsorgung:

„Wenn wir da 90 bis 120 Millionen Euro für die Sanierung der Abwässer-Kanäle brauchen, dann müssen wir überlegen, belasten wir die Bürger mehr damit, wenn wir das alles alleine machen, oder ist es besser, einen privaten Partner reinzunehmen. 100-prozentige Privatisierung auf keinen Fall, denn das darf nie komplett aus der Hand einer Stadt weggegeben werden. Das ist völlig klar. Also es ist ein sorgfältiger Abwägungsprozess und unterm Strich müssen die Bürger zufrieden sein.“

Deshalb soll im Fall der Stadtwerke Kiel zunächst ein Gutachten abgewartet werden, bevor die Frage beantwortet wird, ob die Stadt weitere Anteile verkaufen sollte:

„Wir lassen das prüfen, wir lassen die Stadtwerke auch von sich aus untersuchen, wie es aussehen würde, wenn man beispielsweise auf 25,1 Prozent runtergehen würde als Stadt. Würde sich das eigentlich mehr rechnen, wenn wir jetzt noch mal einen großen Schluck kriegen würden oder wenn wir dauerhaft die Dividenden erhalten? Das wird untersucht. Auf jeden Fall darf es nicht weniger als 25,1 Prozent sein. Ich bin aber mit einer Aussage, dass ich persönlich für einen weiteren Verkauf bin, sehr zurückhaltend, muss ich sagen. Ich arbeite da nur in enger Abstimmung mit der Politik und: es muss alles zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger sein.“

Die Mannheimer MVV-Gruppe ist jedenfalls nach wie vor stark interessiert daran, weitere Anteile der Stadtwerke Kiel zu kaufen. Die Stadt Kiel kann sich – das sieht der Teilprivatisierungsvertrag vor – mit einer Entscheidung noch bis November 2010 Zeit lassen. Aber auch der umgekehrte Weg wird diskutiert – zum Beispiel in den Gewerkschaften und bei Globalisierungsgegnern. Die Stadt Kiel – so die Überlegung – könnte die Stadtwerke wieder zurückkaufen, um – wie die Stadt Flensburg – wieder Herr im Hause zu sein. Die Vorsitzende des Betriebsrats der Stadtwerke Kiel, Barbara Neumann kann solche Überlegungen verstehen. Auch ihr geht die bisherige Teilprivatisierung schon zu weit:

„Also ich halte es für wichtig, dass Kommunen den Einfluss behalten auf lebensnotwendige Versorgung wie eben Wasser, Trinkwasser eben, und Energie, und da reicht unter Umständen ein 49-prozentiger Anteil nicht aus, um da wirklich den Einfluss auch so wahrnehmen zu können. Aus Sicht der Stadt Kiel ist der Einfluss geringer geworden – das muss man einfach so sehen.“

Einen Rückkauf des 51-prozentigen Anteils an den Stadtwerken hält die Betriebsratsvorsitzende aber nicht für realistisch. Und auch Kathy Kietzer, die Vorsitzende der SPD-Fraktion im Kieler Rathaus meint:

„Für uns ist das nicht vorstellbar. Und es wäre auch unseriös, etwas anderes zu sagen. Das würde ja bedeuten, das wir, was weiß ich, an die 240, 250 Millionen Euro neu aufnehmen müssen. Ich glaube auch noch nicht mal, dass das Innenministerium uns das genehmigen würde. Also auch da sind wir an den Grenzen angekommen, von daher halte ich also die Überlegungen dazu nicht für seriös. Die sind nett, aber die sind nicht umzusetzen.“

In einem anderen Bereich allerdings wird in Kiel durchaus ernsthaft und über Fraktionsgrenzen hinweg über eine so genannte Rekommunalisierung nachgedacht: die privatisierte Abfallwirtschaft könnte in städtische Regie zurückgeholt und dadurch unter Umständen – zumal nach der jüngsten Umsatzsteuererhöhung – günstiger werden. Denn die Stadt zahlt keine Umsatzsteuer.

Allgemein gültige Regeln, nach denen Politiker entscheiden können, welche kommunalen Betriebe komplett in städtischer Hand bleiben müssen und welche Betriebe ganz oder teilweise verkauft werden sollten, gibt es wohl nicht. Der Chef der bisher zu 51 Prozent privatisierten Stadtwerke Kiel, Stefan Grützmacher, sieht es jedenfalls so:

„Ich möchte nicht sagen, dass der eine oder andere Weg falsch ist. Der eine oder andere Weg mag vielleicht passend für das eine oder andere Unternehmen sein. Wir sind der Meinung hier in Kiel, dass diese Teilprivatisierung sinnvoll war und ist. Das soll nicht heißen, dass es keine Modelle gibt, wo keine Privatisierung erfolgt, also der Energieversorger weiterhin zu 100 Prozent in kommunaler Hand ist, oder eben auch, dass Kommunen sagen, wir wollen es wieder komplett zurück zu uns holen. Das ist eine individuelle Entscheidung jedes Eigentümers letztendlich.“

Deutschlandradio Kultur, 23.10.2007 · 13:07 Uhr
http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/laenderreport/680174/

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