„Der grüne Kapitalismus ist in Wirklichkeit eine Falle“

Der Ökonom Alberto Acosta aus Ecuador gibt in der taz ein Interview über die Grenzen der kapitalistischen Produktion

Alberto Acosta, 63, ist Ökonomieprofessor an der lateinamerikanischen Fakultät für Sozialwissenschaften Flacso in Quito. Nach der Linkswende in Ecuador 2007 war er zunächst Energie- und Bergbauminister, dann leitete er den Verfassungskonvent.

2008 war Alberto Acosta daran beteiligt, dass die Rechte der Natur in der neuen Verfassung Ecuadors verankert wurden – eine Weltpremiere. Am Freitag hielt der linke Ökonom eine viel beklatschte Auftaktrede zum dreitägigen Kongress „Jenseits des Wachstums“ in Berlin. Foto: Gerhard Dilger

taz: Herr Acosta, nach wie vor setzt die herrschende Politik Entwicklung mit Wachstum gleich. In Südamerika haben progressive Regierungen durch Lohnerhöhungen und Sozialprogramme Millionen zum sozialen Aufstieg verholfen. Wie sollen da Mehrheiten für eine ökologische Wende her?

Alberto Acosta: Unser Lebensstil ist nicht haltbar, das wird immer mehr Menschen klar. Süßwasserquellen gehen verloren, die Artenvielfalt auf den Feldern und in den Wäldern geht zurück, ebenso der Lebensraum für indigene Gemeinschaften. Aber sicher, die Sichtweise, die Natur müsse gezähmt, ausgebeutet und vermarktet werden, herrscht immer noch in vielen Teilen unserer Gesellschaften vor, auch auf Regierungsebene.

Warum setzt Lateinamerika so vehement auf Rohstoffexporte?

Es ist die Fortschreibung unserer Geschichte, auch nach der Unabhängigkeit von Spanien und Portugal vor 200 Jahren. Man hängt weiterhin dem naiven Glauben an, der Extraktivismus werde sich schon in Entwicklung verwandeln. Dabei wissen wir doch, dass wir zwar Boomphasen erlebt haben, aber die ersehnte Entwicklung letztlich ausgeblieben ist.

Sie propagieren den Übergang zu einem postfossilen Wirtschaftssystem. Wie soll so die Armut abgebaut werden?

Den Königsweg gibt es nicht. Die Grundbedürfnisse der Menschen müssen immer garantiert werden, also nicht nur in Zeiten finanzieller Überschüsse. Neben einer Steuerreform sind dafür weitere Umverteilungsprozesse erforderlich, vor allem beim Landbesitz und der Kontrolle über das Wasser.

Wie hilfreich sind für Sie Konzepte wie „nachhaltige Entwicklung“ oder „Green New Deal“?

Das westliche Entwicklungsparadigma ist höchst gefährlich: Es garantiert den allgemeinen Wohlstand nicht, bringt das ökologische Gleichgewicht aus dem Lot und stellt dadurch das Überleben der Menschheit infrage. Der „grüne Kapitalismus“ ist eine Falle, denn er stellt die kapitalistische Logik nicht infrage. In den letzten Jahrzehnten hat auch der Umweltmerkantilismus die Lage nicht verbessert, er ist nur Schminke.

Nun gibt es aber nicht einmal in Südamerika eine gesellschaftliche Mehrheit für eine „sozialistische“ Wirtschaftsordnung. Wäre aus dieser Perspektive ein „grüner“ Kapitalismus nicht schon ein großer Fortschritt?

Bestenfalls als Übergangsphase zu einem nichtkapitalistischen Paradigma, das sich an Gleichheit, Freiheit und natürlich Umweltverträglichkeit ausrichtet. Wir müssen weg vom Anthropozentrismus hin zu einem „Soziobiozentrismus“.

Im Attac-Umfeld wird diese Debatte, die vor allem in Ecuador und Bolivien unter dem Stichwort „Gutes Leben“ geführt wird, aufmerksam verfolgt. Was bringt dieses Konzept, auf das ja auch die ecuadorianische Verfassung ausgerichtet ist, für Europa?

Das „Gute Leben“ ist eine weitere Plattform, um über dringend notwendige Antworten auf die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels nachzudenken.

Was kann denn die europäische Linke vom südamerikanischen Linksruck lernen?

Vor allem, wie wichtig es ist, eigene Lösungen zu suchen. Doch sie sollte sich nicht mit den Anführern der progressiven Regierungen solidarisieren, sondern mit den Prozessen und seinen sozialen Akteuren. Die oft blinde Unterstützung von Präsidenten trägt dazu bei, individuelle, autoritäre Führerfiguren zu stärken. Und die drohen jene revolutionären Prozesse zu ersticken, die ja gerade viel Demokratie brauchen.

Was sind die Folgen von Fukushima in Lateinamerika?

Auch wenn die Atomfrage nicht so virulent ist wie in Deutschland: Das Umweltbewusstsein wächst. Und einige Atompläne wurden ad acta gelegt.

INTERVIEW: GERHARD DILGER

http://www.taz.de/1/zukunft/umwelt/artikel/1/der-gruene-kapitalismus-ist-eine-falle/ 18.05.2011

One Response to “„Der grüne Kapitalismus ist in Wirklichkeit eine Falle“”

  1. »Der grüne Kapitalismus ist eine Falle« | Gemeingüter,

    […] In einem taz-Interview führt Alberto Acosta, Ökonom aus Ecuador und vormals Leiter des Verfassungskonvents, aus, warum das westliche Entwicklungsparadigma gefährlich ist und nicht weiter hilft. Ein »grüner Kapitalismus« könne bestensfalls als Übergang dienen. Kritisch sieht er auch die lateinamerikanischen Linksregierungen. Statt sich mit einzelnen Führungsfiguren zu solidarieren, solle besser der soziale Prozess an der Basis unterstützt werden. Europäische Bewegungen sollten daraus lernen, »wie wichtig es ist, eigene Lösungen zu suchen«. [via] […]

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