Handlungsoptionen gegen Fiskalpakt

A miner fires a home-made rocket as he hides behind a wall during a clash with Spanish national riot police inside the „El Soton“ coal mine in El Entrego (Reuters / Eloy Alonso)

Am Freitag soll im Bundestag der Fiskalpakt ratifiziert werden. Es ist vorgesehen, dass die europaweite Schuldenbremse im Grundgesetz festgeschrieben werden. Michael Schlecht,Chefvolkswirt der Bundestagsfraktion DIE LINKE,schreibt:

Dann werden die Staatshaushalte auf Teufel komm raus herunter gekürzt, der Sozialstaat europaweit weiter zusammengeknüppelt. Denn: Haushaltssanierung mit Mehreinnahmen durch massive Besteuerung von Vermögenden und Reichen ist nicht vorgesehen! […] Und es soll Wachstumsimpulse geben! Das naheliegende wird komplett ausgeblendet, ist überhaupt nicht diskutiert worden: Auf Druck vor allem von Merkel wird Europa bis 2014 mit Sozial- und anderen Haushaltskürzungen von mehr als 500 Milliarden Euro überzogen. Dies hat zur Folge, dass die Wirtschaft nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien und Italien immer stärker einbricht und der Kollaps droht. Wer meint diese gefährliche Logik verstanden zu haben und Wachstum fordert, der müsste ja wohl erst einmal diese Kürzungen stoppen. Oder zumindest massiv abschwächen. […] Die Dramatik beschreibt der Österreichische Wirtschaftswissenschafter Stephan Schulmeister: „Gegen den Fiskalpakt ist Hartz IV eine Lappalie.“

Verdi schreibt, dass bereits jetzt in vielen Länder zu sehen ist, wie durch drastische Sparmaßnahmen das Arbeitsrecht quasi abgeschafft wird. Frank Bsirske, ver.di Vorsitzender sagt:

Der Fiskalpakt hat eine eingebaute Investitions- und Wachstumsbremse. Durch den Vertrag würde die Schuldenbremse für die Bundesländer von 2020 auf 2013 vorgezogen – mit absehbar verheerenden Folgen für die Haushalte von Städten und Gemeinden“, betonte Bsirske. Dadurch würden Zukunftsinvestitionen in Bildung und Infrastruktur blockiert, obwohl deren Renditen wirtschaftlich und gesellschaftlich höher seien, als ihre Finanzierungkosten.

Stephan Kaufmannbilanziert, dass der Fiskalpakt die Schuldenwirtschaft beenden und den Märkten das Vertrauen in Europa zurückgeben soll.

Denn mit dem Pakt legen sich die Regierungen eine „finanzielle Zwangsjacke“ an, so Holger Schmieding von der Berenberg Bank. Doch ist fraglich, ob das die Märkte beruhigt. Denn wer in einer Zwangsjacke steckt und stolpert, der fällt.

Was also tun? Der DGB Bundesvorstand schreibt, dass der französische Präsident François Hollande den Fiskalpakt neu verhandeln will.

Und auch in Deutschland regt sich immer mehr Widerstand. Gewerkschaften und andere Kritiker befürchten, dass der Fiskalpakt keine Probleme löst, aber unsoziale Ausgabenkürzungen erzwingt.

In Spanien, dass die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten durchmacht, ist der Widerstand unter den Bergarbeiternseit einem Monat in vollem Gange:

Weil sie keinen Ausweg sehen, kämpfen Spaniens Bergleute für ihre Minen. Die einen, wie die Sieben von Santa Cruz del Sil, indem sie sich unter Tage einschließen. Die anderen, indem sie auf die Barrikaden gehen. Das ist beinahe wörtlich zu nehmen. Seit die spanischen Bergarbeiter in den Streik getreten sind, gibt es fast täglich Bilder wilder Schlachten, brennender Autoreifen und steinewerfender Demonstranten. Besonders eindrücklich waren die Aufnahmen protestierender Bergleute, die Feuerwerkskörper wie Luftabwehrraketen von der Schulter aus auf Polizisten abschossen. „Toll anzusehen, oder?“, meint José Pérez. „Was sollen wir sonst machen? Uns die Hosen runterlassen und in Unterwäsche marschieren? Auf die sanfte Tour vergessen sie dich.“ […] Die Bergleute haben von sich selbst das Bild, einer besonders kämpferischen Truppe anzugehören. Sie wissen, dass Millionen Spanier ebenso schlecht dastehen wie sie selbst, oder noch schlechter. Aber sie wollen sich nicht, wie die meisten, in ihr Schicksal ergeben. „Gewinnen kann man nur kämpfend“, sagt Pérez.

Aber nicht nur die Bergleute sind auf den Barrikaden, im Lande ist Generalstreikstimmung (mehr Fotos bei Financial Times Deutschland). Wenn der Druck von unten überall derart steigen würde, dann wären die oben gezwungen, auf Ratschläge der zu hören, die nicht wie die der Neoliberalen immer nur von unten nach oben umverteilen, um die Krise zu finanzieren. Z.B. auf Rudolf Hickel, Prof. em. für Finanzwissenschaft an der Uni Bremen, Mitglied der Arbeitsgruppe Alternative Wirtschaftspolitik und in dieser Funktion Mitherausgeber des jeweils am 1. Mai erscheinenden Memorandums, einem kritischen Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und des Euromemorandums:

Was ist die Alternative? Realisiert werden muss ein mittelfristiger Defizitabbau ohne schuldentreibende Schrumpfung der Gesamtwirtschaft. Hinzu kommen müssen künftig neue Regeln ökonomisch angemessener Neuverschuldungsdisziplin. Dazu dient in einem ersten Schritt ein europaweiter Schuldentilgungspakt: Die Schulden eine EU-Landes, die über den Anteil von 60% des Bruttoin­landsprodukts hinausgehen, werden in einen gemeinschaftlich verant­worteten Entschuldungsfonds übertragen. Die Idee stammt vom „Sach­verständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Ent­wicklung“. Zu seiner Refinanzierung bietet der Fonds Eurobonds, die von der EU verantwortet werden, den Kapitalmärkten an. Um deren Bonität zu sichern, müssten die Länder bis zu 20% ihrer Schulden durch Gold- und Devisenreserven garantieren. Die hier gebündelten Schulden werden über einen Zeitraum von 20 bis 25 Jahren durch die betroffenen Länder abfinanziert. Derzeit läge das geschätzte Volu­men in den nächsten fünf Jahren bei 2,3 Bio. € in der EU. Die betroffenen Län­der werden verpflichtet, ihre Tilgungsleistungen durch eine spezifische Abgabe zu finanzieren. Für Deutschland wird eine zeitlich befristete Abgabe auf hohe Vermögen vorgeschlagen. Weiterlesen

Und wers noch genauer wissen will, dem oder der bleibt immer noch die recht aktuelle und einschlägige Prokla 163: „Sparen und Herrschen“.

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