Die Geschichte einer Pleite

Weltzeituhr Protest gegen Kaffee Steuer Berlin  IMG_7946
Creative Commons License Thomas Rassloff via Compfight

Eine Haushaltspleite ist fast immer hausgemacht. Wir hören und lesen es oft: Die Kommunen, Städte, Gemeinden sind pleite und die Ausgaben für die öffentliche Versorgung zu hoch, und dass wir sparen müssen. Mit „wir“ sind Beschäftigte, Sozialhilfeempfänger_innen, Erwerbslose, Kinder, Jugendliche, Alte gemeint. Eben diejenigen, deren Steuern das halbe Gehalt auffressen oder die so wenig haben, dass es zu einem menschenwürdigen Leben nicht reicht. Birger Scholz hat sich im aktuellen Mieterecho die Geschichte von Steuerpolitik und Umverteilung in der BRD der letzten 20 Jahre angesehen und arbeitet heraus, welche fatalen Folgen diese bspw. für das Land Berlin haben. Einige Aspekte des lesenwerten Artikels möchte ich anführen.

Von 1991 bis 2011 stiegen die Schulden Berlins von 11 auf 63 Milliarden Euro. Die Schuldenlastquote – also das Verhältnis der Schulden zur Wirtschaftsleistung – erhöhte sich in diesem Zeitraum von 17,1 auf 62,1%. Dieser enorme Anstieg der Verschuldung hat im Wesentlichen zwei Ursachen: Zum einen wurden die Unterstützungszahlungen des Bundes an Berlin nach der Wende über Nacht gekappt. Modellrechnungen zeigen, dass die Verschuldung der Hauptstadt bis 2002 nur gering gestiegen und unter Umständen sogar gesunken wäre, wenn die Bundeshilfen langsamer abgebaut worden wären (MieterEcho Nr. 346/ März 2011). Zum anderen vollzog die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) von 1998 bis 2002 einen radikalen steuerpolitischen Kurswechsel, der zu enormen Steuerausfällen führte und auch von den nachfolgenden Bundesregierungen nicht korrigiert wurde.

Dieser steuerpolitische Kurswechsel fiel nicht zu Gunsten der gering Verdiener_innen aus.

Bei der Einkommensteuer wurde der Steuertarif auf breiter Front so gesenkt, dass die prozentuale Steuerersparnis bei unterschiedlichen Einkommenshöhen kaum variiert. Die Bundesregierung suggerierte so eine verteilungsneutrale Reform, obwohl Spitzenverdiener/innen durch die schrittweise Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 42% in absoluten Größen gerechnet mindestens viermal so stark entlastet wurden wie Normalverdiener/innen.

Eine wirtschaftliche Verbesserung blieb in der Breite ebenfalls aus:
langfristige Mindereinnahmen im öffentlichen Sektor (bspw. Bildung, Personennahverkehr, ärztliche Versorgung, Wohnraum), massive Einkommensungleichheiten (Lohnsenkungen, Personalabbau, Ausbau des prekären Sektors), erhöhter Kapitalexport der gut Verdienenden.

Ohne Steuerrechtsänderungen seit 1998 hätte Berlin im Jahr 2012 insgesamt 2,45 Milliarden Euro mehr Geld zur Verfügung. […] In der kritischen Wissenschaft wird wie in den 50er und 60er Jahren wieder von „öffentlicher Armut und privatem Reichtum“ gesprochen.

Hinterlasse eine Antwort