ÖPP-Schulen in Offenbach: Entsetzen nach Kostenexplosion

Bild: flickr/Jens-Olaf, Lizenz: CC BY-NC 2.0
Bild: flickr/Jens-Olaf, Lizenz: CC BY-NC 2.0

Einst war das ÖPP-Leuchtturmprojekt des Kreises Offenbach, Schulen in Partnerschaft mit den privaten „Partnern“ Hochtief und SKE zu sanieren und betreiben, ein bundesweit gefeiertes Vorhaben. Nach zehnjähriger Erfahrung weicht die anfängliche Begeisterung dem blanken Entsetzen: „Waren die Kreisgremien bei ihrer Entscheidung für das Vorhaben von jährlichen Kosten in Höhe von 52,1 Millionen Euro ausgegangen, stiegen diese bis 2014 auf 82,2 Millionen Euro. Bis 2019 werden sie sich, so die Prüfer, mit 95,1 Millionen fast verdoppelt haben“ – so op.online.de.

Grund sei eine fehlerhafte Berechnung der ÖPP-Kosten und die Ausblendung von wichtigen Faktoren, die im Falle der Eigenerledigung durch den Kreis die Kosten gesenkt hätten. Das Gutachten ist noch nicht öffentlich, liegt aber einzelnen Journalisten vor. Laut Presseberichten kommen die Gutachter auf folgende Kostenfallen für die Öffentliche Hand:

  • Energieeinsparung: Die Schulgebäude wurden energetisch saniert, aber die daraus resultierenden finanziellen Einsparungen nicht an den Kreis weitergereicht. Beim Effizienzvergleich zwischen ÖPP und der Eigenerledigung wurden diese Kosteneinsparungen für die öffentliche Hand erst gar nicht berücksichtigt. In den Jahren 2004-2019 sollten ca. 23 Millionen Euro eingespart werden. Davon profitieren jetzt nur die privaten Betreiber.
  • Umsatzsteuer: Die Einsparung von Umsatzsteuer bei der Eigenerledigung durch die öffentliche Hand sind im Effizienzvergleich unberücksichtigt geblieben.
  • Verwaltungskosten: Angeblich sollen bei ÖPP massiv Verwaltungskosten eingespart werden. Wie diese Einsparung berechnet worden ist, konnten die Prüfer nicht nachvollziehen bzw. fanden die Berechnung zweifelhaft.
  • Weitere Kosten: 64,1 Millionen Euro fallen an für Controlling, höhere Zinsausgaben für Kredite, für Vertragsabwicklungen und Rückstellungen für eine anhängige Klage. Sie wurden bei der Berechnung der PPP-Kosten aber vernachlässigt. Außerdem wurde auch die allgemeine Preissteigerung bei der ÖPP-Kostenberechnung nicht ausreichend berücksichtigt.

Hier eine kleine Presseschau aus der Offenbacher Post:

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Comic IST Bildungsmaterial

Gestern hat die sehr sehenswerte und informative Comicausstellung (Un)mögliche Bildungswege in der Rosa Luxemburg Stiftung Berlin eröffnet. Nachzulesen sind die Bildungswege von acht Menschen. Thematisiert werden Rassismus, Religionszugehörigkeit, Geschlecht, soziales Umfeld und ökonomische Situation, die allesamt die Bildungswege der einzelnen Menschen beeinflussen und mitbestimmen. Zu hören sind die Interviews, aus denen die Comicstrips gezeichnet wurden. Zu sehen ist ein Trailer zu den gesellschaftlichen Zusammenhängen von Bildungsungleichheiten, die auch ausführlicher im Begleitheftheft zu finden sind. Weiterlesen

Bertelsmann im Klassenkampf

Unter dem Titel „Chancengerechtigkeit“ präsentiert die Bertelsmann-Stiftung ihren neuesten Bildungsreport und kommt damit dick in die Medien:

Die Chancen von Schülern, soziale Nachteile zu überwinden und ihr Leistungspotenzial auszuschöpfen, unterscheiden sich von Bundesland zu Bundesland deutlich. Das zeigt der Chancenspiegel, mit dem die Bertelsmann Stiftung und das Institut für Schulentwicklungsforschung (IFS) an der Technischen Universität Dortmund die Schulsysteme aller Bundesländer auf Chancengerechtigkeit untersucht haben.

Bertelsmann verdient aus schlechter Erfahrung erstmal wenig Vertrauen für seine weichgespülte Kritik der Verhältnisse in der Schulbildung. Also: Was heißt hier eigentlich ChancenGERECHTIGKEIT? Warum nicht ChancenGLEICHHEIT? Weiterlesen

3sat-Kulturzeit über Bildungssponsoring

Sehr guter Bericht neulich in 3sat: „Werbung im Unterricht. Wie die Werbewirtschaft Schüler ins Visier nimmt“: Das Geld in Kindergärten und Schulen ist knapp. Bildungssponsoring heißt deshalb seit einigen Jahren das Zauberwort. Unternehmen und Verbände sollen die leeren Kassen wieder füllen. Doch die nutzen Bildungssponsoring gezielt, um in Kitas und Schulen Markenwerbung zu betreiben. Das ist in 13 Bundesländern eigentlich verboten. Mehr lesen

Privatschulkonzern im Schlingern

Vor einigen Jahren mit großer Zielsetzung gestartet, der Schulkonzern Phorms: Kleine Klassen, individuelle Förderung, bilingualer Unterricht und Ganztagsbetreuung, so die großen Versprechen. Das besondere daran: Das ganze sollte als profitorientiertes Unternehmen, formal als Aktiengesellschaft, laufen. Jetzt hat der Konzern Geldschwierigkeiten und ist drauf und dran, seine ersten Grundschulen schon wieder zu schließen. FTD (18.2.10) bilanziert: „Finanz- und Personalprobleme lassen das Geschäftsmodell der Privatschulkette Phorms wackeln: Die Grundschulen an zwei Standorten müssen schließen. Die Verluste belaufen sich auf mehr als 2 Mio. Euro.“ Und die Schul- bzw. Geschäftemacher jammern im taz-Interview (23.2.10): „Private sind bei Bildung nicht gewollt.“ Vielleicht liegt das ja an den weiteren Plänen der UnternehmensstrategInnen: Mit dem Subunternehmen PerPHORMS etwa wollen sie eine Fondsgesellschaft gründen, „die innovative Anlageprodukte im Bereich Schulen und Bildung entwickelt. Das Unternehmen wurde von einer Gruppe erfahrener Unternehmer gegründet, um Investoren einen Weg in dieses attraktive Segment zu öffnen. Ziel ist es, rentable und gesellschaftlich nachhaltige Investitionen zu realisieren.“ Dass in Zeiten kontinuierlichen Platzens von Finanzblasen, aufgebläht aus „innovativen Anlageprodukten“, ein solches Projekt auch mal ins Schlingern kommt, ist in diesem Fall sicher nicht zum Nachteil von Kindern, die zwar auf allen Fotos der Phorms-Selbstdarstellung immer glücklich lächeln, dennoch in einem im Interesse von Aktieneigentümern organisierten Schulbetrieb nur zum Mittel degradiert werden. Denn die Bildung von Kindern in einer Schule, die als Aktienkonzern verfasst ist, reduziert die Kinder in letzter Konsequenz zu Mitteln, um „Investoren ein attraktives Segment zu öffnen“ und deren Investitionen „rentabel“ anzulegen, d.h. möglichst hohe Renditen einzufahren, damit das Kapital, das scheue Reh, nicht gleich wieder ins nächste, noch vielversprechendere „Segment“ abhaut…