Widerspruch Heft 64 fragt: Agrobusiness oder Agrarkultur?

Die UNO hat 2014 zum „Jahr der bäuerlichen Familienbetriebe“ erklärt: „Ziel ist es, das internationale Bewusstsein für landwirtschaftliche Klein- und Familienbetriebe zu stärken und Kleinbäuerinnen und Kleinbauern bei ihrem Beitrag zur Reduktion von Hunger und Armut zu unterstützen.“ Seit dem Weltagrarbericht von 2008 ist bekannt, dass die Produktivität der kleinbäuerlichen Landwirtschaft deutlich höher ist als die agroindustrielle Produktion. Außerdem schafft sie viel mehr Arbeitsplätze. Trotzdem geht die Landwirtschaftspolitik in der Schweiz und in Europa (GAP) permanent in Richtung Konzentration der Produktion in mechanisierten Großbetrieben. Täglich müssen Bauernhöfe aufgegeben werden, obwohl Bauer und Bäuerin – oft in einer Care-Doppelbelastung – sich bis zum Äußersten abrackern. Die Texte im ersten Teil des aktuellen Heftes von WIDERSPUCH. Beiträge zur sozialistischen Politik belegen diese Probleme eindrücklich.

Gesucht sind Alternativen. Ernährungssouveränität hat längst auf die Städte übergegriffen. Ob dabei das Urban Gardening neue Perspektiven eröffnet, hängt wesentlich davon ab, inwiefern es gelingt, solche neue Formen der Nahrungsmittelproduktion in einen weiteren gesellschaftlichen Kontext einzubeziehen. Letztlich, so der Tenor dieses lesenswerten Heftes, können Hunger und Unterernährung nur durch eine partizipative, demokratische Mitbestimmung über die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Nahrungsmittelproduktion überwunden werden.

Widerspruch 64, Ernährung – Agrobusiness oder Agrarkultur, 208 S., 18 EUR, www.widerspruch.ch

Keine Eisenbahnprivatisierungen mit der Linken

eisenbahn
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Die Bahnprivatisierungen der 1990er und ihre sozialen, oft sogar unmittelbar tödlichen Folgen sind seit über 10 Jahren immer wieder Thema auf diesem Blog. Derzeit produziert die EU wieder Liberalisierungs- und Privatisierungsdruck auf dem Bahnsektor. „Auch nach der Beschlussfassung des EU-Parlaments über das 4. Eisenbahnpaket Ende Februar 2014 setzt sich DIE LINKE gegen eine weitere Liberalisierung im Eisenbahnbereich, drohende Zerschlagung bisheriger, überwiegend noch in Staatsbesitz befindlicher Eisenbahngesellschaften und einen Abbau demokratischer Rechte für die abhängig Beschäftigten ein“, so im Beschluss des Parteitags vom 10.5.2014. Stattdessen setzt die Partei auf den Erhalt und Ausbau des Nachtzugverkehrs der DB als Teil eines europäischen Nachtzugnetzes (Beschluss).

Nur der echte Arbeitswille zählt

School - Job[less] - Death.
Dr. Motte
Wir berichteten auf diesem Blog von der zu erwarteten rassistischen Umsetzung der Mindestlohnzahlung. Nun geht es offener zur Sache: nicht entlang des Mindestlohns, sondern entlang der Frage, wer einen Anspruch auf Sozialhilfe hat oder nicht:

Merkel hatte […] in einem Interview betont, die EU sei keine Sozialunion: »Wir wollen Hartz IV nicht für EU-Bürger zahlen, die sich allein zur Arbeitsuche in Deutschland aufhalten.« (Neues Deutschland)

Nach dem Motto „wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ treibt der Sozialrassismus hier neue alte Blüten: Menschen, die aus anderen EU Ländern in die BRD ziehen, bekommen nur finanzielle Unterstützung, wenn sie auch wirklich arbeiten – egal was, egal wie, egal wo. Sich lediglich um Arbeit zu bemühen, soll nicht mehr ausreichen. Wer keine Beschäftigung nachweisen kann, hat Pech gehabt und geht leer aus. Wer Arbeit hat, sollte kein ALG II brauchen – außer als sogenannte*r Aufstocker*in, wenn die Bosse ihre Dumpinglöhne durch den Staat subventionieren lassen.

Was gegen Eigentum spricht

„Mieten“ ist eine kulturelle Errungenschaft, etwas Hochdemokratisches. Es geht nicht immer nur um den Eigentumserwerb. (Berliner Zeitung, 22.5.2014)

Vogelhaus
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Ein Film über Rebellen läuft derzeit in Berliner Kinos und porträtiert die Menschen, die sich seit vielen Jahren um bezahlbaren Wohnraum in Berlin engagieren. Der Film „Mietrebellen“ von Gertrude Schulte Westenberg und Matthias Coers zeigt die Kämpfe und die Menschen dahinter.

Zur Miete wohnen können ist kein naturgegebener, sondern ein erkämpfter demokratischer Zustand, wie es Matthias Coers in dem zitierten Interviewausschnitt in der Berliner Zeitung auf den Punkt bringt. Dinge die Allgemeingut sind und bleiben sollen, waren und sind umkämpft. Eigentum an Wohnraum ist nicht verwerflich, aber im Sinne einer emanzipativen Gestaltung von Wohn- und Lebensverhältnissen in der Stadt kontraproduktiv.

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Saatgut ist nicht nur zum Essen da

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Landwirtschaft ist nicht ganz so einfach, wie sich das vielleicht der eine und die andere vorstellen. Das Prinzip allerdings ist einnehmend simpel: Ein Samen kommt in die Erde, wird gehegt und gepflegt, dann wächst daraus eine Pflanze. Vielleicht Reis, vielleicht wird es sogar ein kleines Reisfeld. Ein Teil der Ernte ist zum Essen, ein anderer wird als Saatgut für die neue Aussaat benutzt. Wir berichteten über den repressiven Versuch der Zerstörung dieses Prinzips in Kolumbien 2013: Der Film zur Verordnung 970 zeigt die verheerenden Folgen für die Bauern_Bäuerinnen und arbeitet die Verbindung zur Durchsetzung des Freihandelsabkommens zwischen Kolumbien und den USA heraus. Die Proteste, die sich an der Zerstörung von 70 Tonnen Reis entfachten, waren die größten der letzten Jahrzehnte in Kolumbien:

Diese Streikbewegungen haben in Dauer und Umfang alle Streiks der letzten Jahre übertroffen: Allein der Bauernstreik dauerte 21 Tage und legte die Verbindungen zwischen mehreren Städten durch Straßensperren lahm. (Cynthia Osorio, Januar 2014, Archipel)

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Wandel und Zukunft der Arbeit in der Landwirtschaft

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Der Zwang zum Wachstum, Konkurrenz und Arbeitshetze sind in der ökologischen und bäuerlichen Landwirtschaft in den letzten Jahren stärker geworden. Die Frage danach, wer unter welchen Bedingungen die Produktions- und die Care-Arbeit in der ökologischen und bäuerlichen Landwirtschaft macht, wird immer drängender. Schon vor mehr als einem Jahr fand in Kassel eine Tagung satt, als deren Ergebnis das Agrarbündnis, ein Zusammenschluß von zwei Dutzend Organisationen (Liste), Ende 2013 dann ein spannendes Thesenpapier (PDF) publiziert hat. Quintessenz: Die Arbeitsbedingungen in der alternativen Landwirtschaft müssen dringend verbessert werden, wenn nicht irgendwann auch dort angesichts miserabler Löhne und gestiegener Arbeitshetze ein „Nachwuchsproblem“ eintreten soll.