Privatgefaengnis in Hessen, Justizminister: Ersparnis und Vollbeschaeftigung

Die Faz berichtete am 9. Januar:

Das erste teilprivatisierte Gefängnis Deutschlands hat sein erstes Jahr mit Erfolg abgeschlossen. Das sagte der hessische Justizminister Jürgen Banzer (CDU) am Montag in Wiesbaden. Das Modell der Justizvollzugsanstalt Hünfeld habe inzwischen sogar Schule gemacht; in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt würden derzeit ebenfalls teilprivatisierte Haftanstalten errichtet. Nach Angaben Banzers liegen die Haft- und Betriebskosten in Hünfeld rund 10 Prozent niedriger als in vergleichbaren rein staatlichen Anstalten.

Mit einer Beschäftigungsquote unter den rund 450 Insassen von 76 Prozent sei annähernd Vollbeschäftigung erreicht, da ein Fünftel der Häftlinge aus Alters- oder Gesundheitsgründen ohnehin nicht arbeitsfähig sei. Die Tätigkeiten reichten vom Verpacken von Werbegeschenken bis zur Metallbearbeitung für Autozulieferer. Wie der Anstaltsleiter Werner Päckert sagte, erhält ein berufstätiger Gefangener 8 bis 10 Euro am Tag; das sei knapp ein Zehntel dessen, was der jeweilige Auftraggeber bezahlen müsse. In den anderen hessischen Gefängnissen seien im Durchschnitt nur 56 Prozent der Häftlinge beschäftigt, sagte Banzer. Ausbrüche habe es noch gar nicht gegeben.

In Hünfeld hat die private Serco GmbH aus Bonn Aufgaben wie Bauunterhaltung, Reinigung, Küche, medizinische und pädagogische Betreuung sowie Arbeitsbeschaffung und Betrieb der Werkstätten übernommen. Dafür sind 102 Mitarbeiter beschäftigt. Für die hoheitlichen Aufgaben – insbesondere die unmittelbare Bewachung der Gefangenen – sind 115 Vollzugsbeamte zuständig. Serco ist eine Tochter des britischen Dienstleistungskonzerns Serco Group, der in Deutschland auch in anderen öffentlichen Bereichen tätig ist, darunter im Gesundheitswesen, im Transport und in der Verteidigung.

Mit der Inbetriebnahme von Hünfeld sei die Überbelegung im hessischen Männervollzug beseitigt worden, sagte Justizminister Banzer weiter. Der Serco-Geschäftsführer Klaus Tiemann ergänzte, sein Personal sei sorgfältig ausgewählt worden und erhalte eine „leistungsgerechte, an marktüblichen Tarifen orientierte Bezahlung“.

Banzer räumte allerdings ein, dass das Modellprojekt unter erleichterten Bedingungen arbeite. So komme niemand nach Hünfeld, der wegen eines Sexual- oder Tötungsdelikts verurteilt worden sei und länger als fünf Jahre Haft zu verbüßen habe. Die SPD-Opposition im Landtag äußerte dagegen erneut grundsätzliche Kritik. „Erfolge sehen wir nicht“, äußerte die Abgeordnete Nancy Faeser. Stattdessen komme es regelmäßig zu Konflikten, weil private Bedienstete keinen körperlichen Zwang ausüben dürften. Der Bund der Strafvollzugsbediensteten forderte ein Ende des Experiments. Die erwarteten Einsparungen ließen sich nicht erzielen, meint der Interessenverband ebenso wie Faeser.

Text: F.A.Z., 09.01.2007, Nr. 7 / Seite 11

Privatisierung ist keine Loesung

Berlins neue Gesundheitssenatorin Katrin Lompscher über den Fleischskandal, Nichtraucherschutz, Krankenhäuser und wilde Tiere im ND-Interview vom 20.12.06

Baugenehmigungen, Stadtumbau Ost, Reparatur von maroden Straßen – das war das Metier, mit dem sich Katrin Lompscher (Linkspartei) bisher beschäftigte. Seit dem 23. November ist alles anders: Da wurde die ehemalige Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung von Berlin-Lichtenberg zur Senatorin für Gesundheit, Umwelt und Verbraucherschutz berufen. Ein Job, den ihr ihre Mitstreiter aus der Politik unbedingt zutrauen. Denn die 44-jährige Berlinerin gilt als ideenreich, zupackend, kooperativ und jemand, der sich schnell in ein neues Fachgebiet einarbeiten kann. Nicht umsonst saß sie in der Arbeitsgruppe der Linkspartei, die die neue rot-rote Koalition ausarbeitete. Mit der Senatorin sprachen Silvia Ottow und Bernd Kammer.

ND: Frau Lompscher, erst wenige Tage im Amt, müssen Sie sich schon einem Gammelfleischskandal und dem Chaos beim bundesweiten Nichtraucherschutz stellen – einen härteren Einstieg in das unbekannte Ressort hätte man sich kaum vorstellen können. Haben Sie die Übernahme schon bereut?
Lompscher: Natürlich hätte ich mir einen anderen Beginn vorstellen können. Letztlich haben die letzten zehn Tage auch bewirkt, dass ich mich in sehr kurzer Zeit und sehr intensiv in die neue Aufgabe einarbeiten musste und konnte. Auch die Zusammenarbeit mit der Verwaltung musste schnell funktionieren. Und sie hat funktioniert. Mir wäre es allerdings für die Verbraucherinnen und Verbraucher lieber gewesen, wir hätten das auch ohne Gammelfleisch leisten können.

Die Vorgänge lagen vor Beginn Ihrer Amtszeit. Haben Sie Ihrer Vorgängerin etwas vorzuwerfen, und was muss sich ändern?
Der ehemaligen Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner ist da gar nichts vorzuwerfen. Das Problem war ja gerade die Weiterleitung von Informationen, unter anderem an die Senatorin, die nicht funktioniert hat. Insgesamt ist deutlich geworden, dass neben Kontrollen die schnelle Weiterleitung von Informationen nicht nur in der Verwaltung, sondern vor allem an die Verbraucherinnen und Verbraucher eine tragende Säule von Verbraucherschutz sein muss.
Als gelernte Stadtpalanerin sind Sie eine absolute Quereinsteigerin in Sachen Krankenhäuser.
Ich möchte so bald wie möglich alle mal gesehen haben.

Alle? Es sind rund 70.
Auf alle Fälle die neun, die zum landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes gehören. Dann werde ich auch genaueren Einblick haben, was die Krankenhäuser von mir erwarten.
Und die Kliniken vielleicht, was Sie von Ihnen erwarten. Es wird ja kritisiert, dass die Krankenhäuser immer noch ineffizient arbeiten, zu hohe Verwaltungskosten haben.
Der AOK-Krankenhausreport, den Sie ansprechen, meint alle Berliner Kliniken. Die Häuser von Vivantes stehen meist besser da. Aber natürlich ist es kein Widerspruch, Unternehmen in öffentlicher Hand wirtschaftlich zu führen. Ohne wirtschaftliche Effizienz ist es schwierig, den Leistungsauftrag in der angemessenen Qualität zu erfüllen.

Probleme sollen also nicht durch die Privatisierung von Unternehmen gelöst werden?
Darin bestand eine der Hauptforderungen der Linkspartei.PDS in den Koalitionsverhandlungen und das haben die Koalitionspartner definitiv ausgeschlossen. An der öffentlichen Trägerschaft wird nicht gerüttelt. Die Herausforderung besteht vielmehr darin, in öffentlicher Trägerschaft Qualität und Effizienz zu erreichen.

Sie haben sich mit der Stadtentwicklung beschäftigt und waren für den Kulturbereich im Gespräch. Sind Sie eine Frau für alle Fälle?
Fachlich bin ich im Berliner Stadtbezirk Lichtenberg auf Grund meiner beruflichen Vorerfahrungen ganz gut klar gekommen. Und in diesen Jahren habe ich auch das politische Geschäft gelernt. Wenn man das kennt, weiß, wie die Prozesse funktionieren und mit wem man wie zurecht kommt, hat man gute Voraussetzungen, auch in anderen berufsfremden Feldern Politik machen zu können. Ich gehöre allerdings nicht zu denen, die in einem neuen Amt gleich behaupten, über alles Bescheid zu wissen.

Aber eine Überraschung war es schon, als Sie für das Ressort Gesundheit, Verbraucherschutz und Umwelt als Senatorin nominiert wurden?
Klar. Es hatte sich zuletzt angekündigt. Aber insgesamt war es eine der Herausforderungen, die man schlecht ablehnen kann. Weil ich an den Koalitionsverhandlungen mitgewirkt hatte, war mir klar, dass es nicht einfach für die Linkspartei sein wird, sich in diesem zweiten rot-roten Anlauf in Berlin politisch zu behaupten. Da habe ich die Berufung dann nicht nur fachlich, sondern auch parteipolitisch gesehen.

Weil es ansonsten niemanden im Senat gegeben hätte, der die Ost-Seele versteht?
Es ist doch ein völlig normaler und legitimer Vorgang, dass eine Partei, die ihre Hochburgen im Osten hat, auch jemanden aus dem Osten beruft. Auf mich ist man aber sicher nicht nur wegen meiner Herkunft gekommen. Es hat sich einfach gut getroffen, dass ich auch die Voraussetzungen für dieses Amt mitbringe. Im übrigen, denke ich, ist die Ost-Seele genauso differenziert wie die West-Seele.

Was liegt Ihnen denn auf der Seele? Gesundheit, Verbraucherschutz, Umwelt war ja nicht Ihr Wunschressort.
Nein. Ich komme eben von der Stadtentwicklung her. Aber zum einen waren da schon inhaltliche Überschneidungen zur Umweltpolitik gegeben, zum anderen führten schließlich alle Erwägungen zu dieser Konstellation. Die auch überzeugend ist, weil alle drei Bereiche gerade für linke Politik große Gestaltungsmöglichkeiten haben. Umweltpolitik ist ja nicht gerade ein Feld, wo sich die Linkspartei bisher sehr hervorgetan hat, Verbraucherschutz ist auch relatives Neuland. Gerade die letzten Tage haben aber gezeigt, wie viel hier noch getan werden kann. Und im Gesundheitsbereich ist linke Kritik an den Prozessen, die jetzt laufen, noch ziemlich leise.

Wie wollen Sie die verstärken?
Als einziges rot-rotes Bundesland sind unsere Möglichkeiten, diesen Reformprozess in unserem Sinne zu verändern, natürlich begrenzt. Aber in die öffentliche Debatte müssen wir uns stärker einschalten. Mit der Verabschiedung des Gesundheitsreformgesetzes wird der Prozess ja nicht zu Ende sein, sondern man wird nacharbeiten müssen, weil alle unzufrieden sind. Da müssen wir uns einschalten. Zum Beispiel, wenn die Krankenkassen durch die Regelungen destabilisiert werden oder der Gesundheitsfonds nicht greift.

Unzufrieden sind schon viele. Ärzte, Krankenschwestern, Apotheker demonstrieren regelmäßig. Können Sie die verstehen?
Bei großen Veränderungen gibt es immer Verunsicherungen. Insofern kann ich die Demonstranten verstehen. Als Senat haben wir aber vor allem dafür zu sorgen, dass die Gesundheitsversorgung und die gesetzliche Krankenversicherung nicht Schaden nehmen. Sollten die Gesetze beschlossen werden, befürchte ich, dass wieder jeder seine eigenen Interessen verfolgt. Aber angesichts des neuen Streits in der Großen Koalition müssen wir ohnehin erst einmal abwarten, was aus den vorgesehenen Gesetzesänderungen wird.

Jetzt werden Sie selbst gefordert sein, um die Interessen der Nichtraucher zu vertreten. Finden Sie es richtig, dass die Länder ihre eigenen Regelungen beim Nichtraucherschutz treffen sollen?
Insellösungen, die für jedes Bundesland anders sind, halte ich nicht für sinnvoll. Da allerdings ein bundesweites Gesetz nicht in Sicht ist, werden wir in Berlin im nächsten Jahr ein Nichtraucherschutzgesetz für öffentliche Gebäude, Krankenhäuser und Gaststätten erlassen.

Wie soll der nicht vom Nikotin abhängige Teil der Hauptstädter künftig vor den Gefahren des Qualmens bewahrt werden?
Nichtraucherschutz für Gäste und Beschäftigte hat nur dann einen Sinn, wenn er konsequent ist. Da bieten sich verschiedene Modelle an: Vom totalen Rauchverbot im öffentlichen Raum bis zu separaten Raucherzonen. Ausnahmen vom Rauchverbot, wie sie die gescheiterte bundeseinheitliche Regelung für Bars und Kneipen vorgesehen hatte, sollte es nicht geben.

Würden Sie selbst denn als Raucherin noch eine Gaststätte betreten, in der Rauchverbot herrscht?
Natürlich. Ich muss ja nicht permanent rauchen, wie Sie gerade sehen. Rauchfreie Dienstgebäude erschrecken mich ebenso wenig wie rauchfreie Gaststätten. Ich rauche dann eben vor der Tür.

Gesundheitssenatorin und Rauchen – das passt eigentlich nicht so richtig zusammen. Wann hören sie auf?
Da ich keine Misserfolge mag, werde ich mich jetzt nicht festlegen.

Was war Ihre erste Amtshandlung?
Ich habe eine Verordnung über das Halten von gefährlichen Tieren wild lebender Arten unterschrieben.

Apropos Tiere: Sind Sie ein Arbeitstier?
Nein, so würde ich mich nicht bezeichnen, das hat so etwas Unfreundliches. Ich arbeite effektiv, denke ich, auch nicht zu wenig, aber ich nehme mir auch gern Zeit für etwas anderes.

Befürchten Sie nicht, dass diese Zeit jetzt knapper wird?
Ich habe natürlich keinen Acht-Stundentag, aber ich komme noch zum Schlafen. Nur wer gut lebt, kann auch gut arbeiten.

P/OeG Newsletter Oktober/November 2006

1. Konferenzbericht „Wasser ist keine Ware“
2. Privatisierung Immobilien/Wohnraum
3. Termine/Konferenzen/neue Literatur
4. „Frisch gebloggt“ (Neues im P/ÖG – Weblog)

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1. Wasserprivatisierung und Nachhaltigkeit
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„Wasser ist keine Ware“. Mit diesem aus der globalisierungskritischen
Bewegung stammenden Slogan ist die Stimmung gut beschrieben, die sich
im Verlauf der 2. Internationalen Nachhaltigkeitskonferenz der RLS am
26. und 27. Oktober 2006 abzeichnete. Zwei Tage lang diskutierten
Wissenschaftler, Aktivisten und Politiker aus Südafrika, Uruguay,
Venezuela, Bulgarien, Großbritannien, Österreich und Deutschland in
fünf Workshops und vier Podiumsdiskussionen mit rund 80 Teilnehmenden
teilweise höchst kontrovers die Auswirkungen der Kommerzialisierung
von Wasser für nachhaltige Entwicklung.
Komplette Dokumentation der Veranstaltung (bald auch mit Audio-
Dateien zum Anhören, für jene, die nicht kommen konnten):
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=11868&type=0

***

Infos zur WRRL
Auch die Wasserrahmenrichtline besagt: „Wasser ist keine übliche
Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und
entsprechend behandelt werden muß.“ Die Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)
ist die erste EU-weit verbindliche Regelung, die eindeutig Bezug
nimmt auf ökonomische Instrumente zur Umsetzung umweltpolitischer
Zielsetzungen. Die Grüne Liga betreibt ein Informationsportal zum
Thema Wasserrahmenrichtlinie, unter
http://www.wrrl-info.de

***

Aqualibrium
Ein Webportal präsentiert die Ergebnisse des Forschungsprojekts
Aqualibrium, aus 14 EU-Ländern Berichte zu Stand und Debatte um die
Privatisierung und Kommerzialisierung von Wasser, mehr dazu unter
http://www.wrrl-info.de

***

Bericht der UNDP zur globalen Wasserkrise
Human Development Report 2006 von UNDP zum Thema „Beyond scarcity:
Power, poverty and the global water crisis“, jetzt zum Download unter
http://hdr.undp.org/hdr2006

2. Privatisierung Immobilien/Wohnraum
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Einen Schwerpunkt in wemgehoertdiewelt.de bildeten in den letzten
beiden Monaten Meldungen über Wohnungsprivatisierungen und Kämpfe
dagegen.
So sieht die Zeitung ‚Die Welt‘ einen Wendepunkt am Wohnungsmarkt,
anderswo sind Proteste von Mieterorganisationen erfolgreich:
bestimmte Wohnungen werden nicht verkauft. Die Freiburger erreichen
ähnliches mit ihrem Bürgerentscheid gegen die lokalen
Privatisierungspläne, während in Berlin schon wieder die Gelegenheit
lockt: Ein Kaufangebot der Gehag für die marode WBM. Die FU-Berlin
hat (schon länger) eine Dissertation über die Privatisierungen des
Landes Berlin online. Andere machen Lobby für den
Wohnungsprivatisierungsmarkt, während die sogenannten Real Estate
Investment Trusts (REITs) heftig in der Diskussion sind. Das ganze
wird beforscht und dafür gibt’s sogar Geld: eine
Forschungmittelausschreibung zu einem neueren Begriff der Diskussion
um Privatisierung öffentlicher Wohngesellschaften.
Das alles und mehr in der Kategorie ‚Wohnen‘ im p/ög-Blog:
http://www.rosalux.de/cms/index.php?id=ppg&tx_ttnews[cat]=48

3. Termine/Konferenzen
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Für kurz Entschlossene:
Die SPD Friedrichshain-Kreuzberg läd herzlich ein zur Veranstaltung
„Schlanker Staat? Grenzen der Privatisierung“ mit: Prof. Ernst Ulrich
von Weizsäcker. Herausgeber des neuen Berichtes an den Club of Rome
„Grenzen der Privatisierung. Wann ist es des Guten zu viel?“, sowie:
Stefan Zackenfels, MdA, Vorsitzender Unterausschuss für
Beteiligungsvermögen und Gerlinde Schermer, Sprecherin des linken
Donnerstag-Kreises der SPD, Moderation: Martin Stürmer (Mitautor)
Wann? am Donnerstag, 23. November 2006, 18 Uhr in der St. Thomas
Gemeinde am
Mariannenplatz, Gemeindehaus, Bethaniendamm 25, 10997 Berlin.

Heribert Prantl kommentierte das Buch in der Süddeutschen Zeitung (Nr.
255, 06.11.2006, S. 4) übrigens folgend:

„….Wenn der Staat immer weniger Gestaltungsmacht hat – was kann der
Bürger dann noch demokratisch mitgestalten? Der Rückzug des Staates
darf nicht so weit gehen, dass er sich selbst in Frage stellt. Er
muss ein Mindestmaß an Sicherheit für seine von Zukunftsängsten
gebeutelten Menschen bieten. Wenn sie das Gefühl haben, dass die
staatliche Ordnung das nicht mehr leisten kann oder will, schwindet
ihre Loyalität zu Staat und Staatsform. Der Bundespräsident hat mit
seiner Weigerung, die Privatisierung der Flugsicherung zu
unterschreiben, das Nachdenken über die Grenzen der Entstaatlichung
befördert. Das Verfassungsgericht hat mit der Erlaubnis, öffentliche
Aufträge an soziale Bedingungen zu knüpfen, der Politik einen neuen
Weg gewiesen. Vielleicht wird daraus ja ein neuer Frühling des Staates.“

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Kongress: Solidarische Ökonomie, Berlin
Vom 24. bis 26. November 2006 findet in den Räumen der Technischen
Universität der „Kongress Solidarische Ökonomie. Wie wollen wir
wirtschaften?“ statt.
Unter anderem mit Themen wie „Daseinsvorsorge in Bürgerhand: Wasser
und Strom“, „Perspektiven rückeroberter Betriebe“ oder „alte und neue
Kooperativen in Venezuela“.
http://www.solidarische-oekonomie.de

***

Seminare gegen die 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über
biologische Vielfalt 2008 in Deutschland. G8 zu COP 9!
Die BUKO-Kampagne gegen Biopiraterie beteiligt sich an den Protesten
gegen den G8-Gipfel 2007 in Heiligendamm: „Wir wollen unterbinden,
dass biologische Vielfalt und traditionelles Wissen weiterhin zur
grünen Beute von Konzernen werden. Wir sehen aber auch die
Kontinuität dieser neuen Form des Kolonialismus, bei der das G8-
Treffen nur ein Forum unter vielen ist. Nach der Enteignung von Land
und der Versklavung von Menschen im Laufe der kolonialen Eroberung
der Welt ist Biopiraterie eine weitere große Enteignungswelle im
Rahmen der kapitalistischen Expansion.“, siehe zu den Terminen der
Kampagne gegen Biopiraterie unter http://www.biopiraterie.de

***

Wie an anderer Stelle von uns berichtet, führte die Berliner
MieterGemeinschaft e.V. im Februar 2006 eine Konferenz mit dem Titel
„Privatisierung in Berlin – Ist Privatisierung nur eine Folge ‚leerer
Haushaltskassen‘ oder ein Instrument globaler Verwertungsstrategie?“
durch. Etwa 200 Interessierte verfolgten im DGB-Gewerkschaftshaus die
Diskussionen zu den Bereichen Wohnungsversorgung, Wasser, PPP und
Gesundheit. Während der Konferenz wurde ohne Gegenstimmen eine
Resolution beschlossen. Die Konferenz – aktueller denn je – ist
komplett aufgezeichnet worden und kann angehört werden unter
http://www.bmgev.de/privatisierung/konferenz-dokumentation/vortraege-
mp3/index.html

***

Individualität und Eigentum
Zur Rekonstruktion zweier Grundbegriffe der Moderne hat Christian
Schmidt jetzt seine Dissertation publiziert. Sowohl Individualität
als auch Eigentum erhielten ihren heutigen Sinn erst mit den
bürgerlichen Revolutionen. Die ökonomische Ordnung des Kapitalismus
beruht auf der als Besitz bekannten Zuordnung von Dingen zu Personen
und der strikten Trennung von Eigentum und Person. Christian Schmidt
rekonstruiert die beiden Grundbegriffe der Moderne und diskutiert
dabei Fragen der Entfremdung, des geistigen Eigentums und des
Eigentums im Sozialismus, mehr unter
http://www.terrashop.de/16156011/direktlink/bk_info.php

***

Copyright & Copyriot
Über die Kommerzialisierung digitalisierten Wissens, die
Aneignungskonflikte im informationellen Kapitalimus und zur Frage
„was ist Eigentum“, schreibt Sabine Nuss in ihrer Dissertation, jetzt
erschienen im Dampfbootverlag, siehe:
http://www.dampfboot-verlag.de/buecher/647-5.html

3. „Frisch gebloggt“
—————–

Gutes Weblog zum Thema Ungleichheit
www.esztersblog.com ist ein cooles Weblog aus dem Forschungs- und
Lehralltag einer Wissenschaftlerin in Kalifornien. So berichtet sie
z.B. von der Berkeley-Harvard-Inequality-Group und von ihren
Diskussionsveranstaltungen mit Themen wie etwa
„Informationstechnologie und Ungleichheit“.

„(Anti-)Privatisierung“
Die WASG bringt ihren Newsletter am 15.11.2006 als Extra-Ausgabe zum
Thema „(Anti-)Privatisierung“ heraus. Besonders schön: die Initiative
zum „Privatisierungs-Watching“, unter info.w-asg.de/uploads/media/
newsletter_2006-extra-2.pdf

Wer hat Geld für einen kritischen Dokumentarfilm?
Ein kritisches Dok-Film-Projekt betreibt Foundraising: http://
www.bahn-unterm-hammer.de

IfW Kiel macht jetzt auch in Öffentlichen Gütern
Das Institut für Weltwirtschaft in Kiel hat jetzt ein eigenes
Forschungsprogramm aufgelegt für „Öffentliche Güter und
Wirtschaftspolitik“, unter
http://www.uni-kiel.de/ifw/prog2/prog2.htm

und ein bisschen in eigener Sache:

Domain Confusement
who-owns-the-world.org is the english frontpage of the webpage you
are visiting right now.
who-owns-the-world.com is the promotion webpage for a new book about
worldwide landownership

=================

Please support the network.
We like to invite all of you to support this project, to come to the
workshops and to send information and empirical and theoretical
material to the mailing-list.

With best regards
Dieter Klein: klein-at-rosalux.de
Rainer Rilling: rilling-at-rosalux.de
Sabine Nuss: nuss-at-rosalux.de
Ingo Stützle: istuetzle-at-so36.net
Markus Euskirchen: m-at-euse.de
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Vom Wert oeffentlicher Gueter

Eine Fachtagung Privatisierung zum Thema „Vom Wert öffentlicher Güter“ findet am 21.11.2006 in Mainz statt. Träger sind das Zentrum für gesellschaftliche Verantwortung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau sowie die Bezirke West und Hessen-Thüringen des DGB in Kooperation mit Arbeit und Leben. Das Programm fragt: Welche Erfahrungen gibt es mit Privatisierung? Welche Folgen hat sie für Beschäftigte und für die Versorgung der BürgerInnen? Ist Privatisierung eine Patentlösung?
Laut Programm referieren: Archim Truger (IMK Düsseldorf): Öffentliche Güter und ihre Finanzierung; Cornelia Heintze: Öffentliche Güter und ihre Finanzierung in den skandinavischen Ländern; in den Arbeitsgruppen zu den Bereichen Verkehr, Bildung, Gesundheit und Wasser gibt es Inputs von Winfried WOlf, Barbara Dickhaus, Nadja Rakowitz und Johannes Lauer. An einer abschließenden Podiumsdiskussion nehmen teil Stefan Körzell (DGB Hessen-Thüringen), Sabine Röhl (Landrätin Bad Dürkheim), Thomas Posern (ZGV) und Katharina von Kap-herr, Ministerium für Bildung, Frauen und Jugend des Landes Rheinland-Pfalz.
Anmeldung: Arbeit & Leben Postfach 2942 – 55019 Mainz oder info@arbeit-und-leben.de

Pressespiegel: Trubel in der Linken um Privatisierungspolitik

Tagesspiegel, 04.07.2006
Für PDS-Realos ist Lafontaine ein Problem. Staatsverständnis ist einer der Streitpunkte
Von Matthias Meisner
Berlin – In der PDS wächst die Sorge, dass Oskar Lafontaine in einer vereinigten Linken zu mächtig werde könnte. Mehrere prominente Landes- und Bundespolitiker verständigten sich unter der Überschrift „Abschied und Wiederkehr“ auf einen „Aufruf aus der PDS zur neuen Linkspartei“. Das Papier verzichtet zwar auf eine direkte Abrechnung mit dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. In einer ganzen Reihe von Punkten gehen die Unterzeichner aber auf Abstand zu Positionen Lafontaines, die dieser vor wenigen Wochen im Gründungsmanifest für eine vereinigte Linkspartei durchgesetzt hatte. Unter dem Einfluss Lafontaines könnte die neue Linkspartei programmatisch zurückfallen, heißt es aus dem Kreis der Autoren. Streitpunkte sind unter anderem das Staatsverständnis der neuen Linken, aber auch die Haltung zu Regierungsbeteiligungen. Unterzeichner des Papiers sind unter anderem die Landesvorsitzenden aus Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Klaus Lederer, Thomas Nord und Matthias Höhn, daneben dem Reformflügel zuzurechnende Bundespolitiker wie Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Vizeparteichefin Katina Schubert und der Berliner Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich. Für die Klausurtagung der 53 Bundestagsabgeordneten, die am Montag in Rostock-Warnemünde begann, liefert das Papier Zündstoff. Lafontaine streitet für eine Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, kämpft kategorisch gegen den Abbau des öffentlichen Dienstes. Die Autoren des PDS-Papiers, das dem Tagesspiegel vorliegt, werben dagegen für mehr Differenzierung, stellen die Bedeutung des Kompromisses in der politischen Auseinandersetzung heraus: Es reiche heute „nicht aus, nur auf den Staat, seine Gesetze und sein Geld zu schauen“. Das Versagen der Reformpolitik erkläre sich auch „aus dem fehlenden innovativen Unterbau in der Gesellschaft, aus der alleinigen Verantwortungszuweisung an den Staat“. Der Aufruf erinnert auch an die Erfahrungen der PDS in Parlamenten und Landesregierungen, ein „großer Vorteil“, den man hart erarbeitet habe.
Schon in der jüngsten Vergangenheit hatte es mehrere kritische Wortmeldungen gegeben. Sachsen-Anhalts PDS-Chef Höhn sowie der dortige Fraktionsvorsitzende Wulf Gallert – Mitunterzeichner auch des neuen Papiers – hatten in Lafontaines Gründungsmanifest „keine tragfähige Basis“ für eine Vereinigung erkannt. Die Gefahr des inhaltlichen Scheiterns sei „sehr real“, sagte Gallert dem „Neuen Deutschland“. Thomas Falkner, früherer Leiter der Strategieabteilung in der Parteizentrale, warnte, die Preisgabe der „alten PDS“ und die „Überforderung der WASG“ würden die „große historische Chance“ der neuen Linken zerstören. Zusammen mit der brandenburgischen Fraktionschefin Kerstin Kaiser kritisierte Falkner, die Linkspartei sei derzeit „faktisch nicht beziehungsweise nur unter großen internen Störungen“ regierungsfähig.

Junge Welt 08.07.2006, Titel, Seite 1
Privat zum Sozialismus
Rainer Balcerowiak
Geht es nach dem Willen von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dann wird sich die Linkspartei.PDS an einer von der WASG und anderen Gruppen geplanten bundesweiten Antiprivatisierungskampagne im Herbst nicht beteiligen. In einer jW vorliegenden Beschlußvorlage, die am Montag im Parteivorstand abgestimmt werden soll, heißt es klipp und klar: »Die Forderung ›keine Privatisierung‹ resp. ›Den Privatisierungswahn stoppen‹ ist in dieser Form nicht für eine politische Kampagne geeignet, weil zu unbestimmt und abstrakt.« Zudem kollidiere die geplante Kampagne mit den für diesen Zeitraum geplanten bundesweiten Aktionen für einen gesetzlichen Mindeslohn, die bis November durchgeführt werden sollen. Doch in dem Antrag von Bartsch wird deutlich, daß es keinesfalls um terminliche Mißhelligkeiten geht. In den zur Begründung formulierten »Thesen zum weiteren Umgang mit diesem Politikfeld« wird die bisher von der Bundespartei und auch der Bundestagsfraktion formulierte strikte Ablehnung von Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge in Frage gestellt: »Privatisierungsbestrebungen von Bund, Ländern und Kommunen haben (…) auch einen Ansatzpunkt im realen Zustand der öffentlichen Haushalte, der öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Unternehmen.« Statt einer undifferenzierten Antiprivatisierungshaltung müsse die Partei »Positiv- und Negativkriterien« für den Verkauf öffentlichen Eigentums entwickeln.
Dem Autor dürfte die Brisanz seines Vorstoßes klar sein. In der Partei und auch aus den Reihen der WASG gab es in den letzten Wochen und Monaten massive Kritik am Verhalten von Kommunal- und Landespolitikern der Linkspartei.PDS besonders in Dresden und Berlin. In der sächsischen Landeshauptstadt stimmte eine Mehrheit ihrer Fraktion dem Komplettverkauf der städtischen Wohnungen zu. In Berlin haben mitregierende Sozialisten unter anderem einer Gesetzesnovelle zur Renditegarantie für die privatisierten Wasserbetriebe zugestimmt, in der die Kalkulationsgrundlagen für vereinbarte Preiserhöhungen zum »Geschäftsgeheimnis« erklärt und somit der Kontrolle der Abgeordneten entzogen werden. Auch das Gesetz zur Sparkassenprivatisierung kommt aus dem Haus eines Linkspartei.PDS-Senators. Diese neoliberale politische Praxis hatte unter anderem Oskar Lafontaine intern und öffentlich scharf kritisiert, und auch die gemeinsame Linksfraktion im Bundestag hat sich in Erklärungen – zuletzt auf einer Fraktionsklausur in dieser Woche – mehrheitlich gegen weitere Privatisierungen ausgesprochen. Da will Bartsch offensichtlich gegensteuern. In der Linken und in seiner Partei sei »durchaus streitig, inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muß und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muß.« Kontroversen gebe es auch in der Frage »inwieweit die Antwort auf Markt und Profitdominanz zwingend öffentlicher Dienst, administrative Regulative und öffentliches Eigentum sein müssen«. Das Parteiprogramm der Linkspartei.PDS stelle »nicht eine bestimmte Eigentumsform in den Mittelpunkt«. Denkbar sei außer öffentlichem Eigentum auch »progressive Entstaatlichung« als »notwendiger Teil einer Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus«. Man darf gespannt sein, ob der Parteivorstand am Montag der Idee, mittels Privatisierungen zum Sozialismus zu kommen, mehrheitlich folgen wird.

Lnkszeitung.de, 09.07.2006
WASG plant bundesweite Kampagne gegen Privatisierung Gegen Verschleuderung öffentlichen Eigentums
Berlin (ppa). Felicitas Weck und Thomas Händel, geschäftsführende Bundesvorstandsmitglieder der WASG, haben jetzt ihre Absicht bekundet, gemeinsam mit Linkspartei, GlobalisierungskritikerInnen, Sozialverbänden und Gewerkschaften gegen die Privatisierung Front zu machen. „Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muss jetzt endlich Schluss gemacht werden“, so Weck und Händel am Sonntag. Die WASG habe bereits eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung beauftragt und lädt die Linkspartei zu einem Arbeitstreffen ein, Möglichkeiten, Anforderungen und Realisierung einer Kampagne „Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums“ in Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der Linkspartei.PDS und der WASG zu bestimmen und diese Kampagne im Rahmen des Parteibildungsprozesses zu führen. Erste Beratungen sollen noch im Juli stattfinden. In einem Brief an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS wird betont, dass der Kampf gegen Privatisierungen ein Kampf für die Schwächsten, für Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und damit ein zentrales Markenzeichen linker Politik weltweit ist. Mit dieser Kampagne könne ferner der Parteibildungsprozess weiter politisiert und über die Mitgliedschaften beider Parteien hinaus erweitert werden.
Die WASG hatte auf ihrem Bundesparteitag im April u.a. die Kampagne „Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums“ beschlossen. Ähnlich beschloss die Linkspartei.PDS auf ihrem zeitgleichen Bundesparteitag in Halle/S. eine Kampagne „Privatisierungswahn stoppen – Öffentliche Daseinsvorsorge erhalten“.

Tagesspiegel, 10.07.2006
Linkspartei zankt um Privatisierung
Berlin – Zum zweiten Mal binnen weniger Tage versucht der Reformerflügel der PDS, die Partei auf mehr Realitätssinn einzuschwören. In einer Vorlage für die Sitzung des Parteivorstands an diesem Montag in Berlin schlägt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch vor, auf eine geforderte Kampagne gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums zu verzichten. In dazu von ihm vorgelegten Thesen wirbt er in der Debatte für ein undogmatisches Vorgehen. In der Linken selbst sei die Haltung zur Rolle öffentlichen Eigentums „nicht unumstritten, sondern differenziert“. Bartsch schreibt: „Streitig ist durchaus, inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muss und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muss.“
Indirekt geht Bartsch mit seinem Vorstoß auch auf Distanz zum Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine. Schon vor der Klausur der Bundestagsfraktion vergangene Woche in Rostock hatten führende Landespolitiker Lafontaines Staatsbegriff kritisiert. Im von Lafontaine durchgesetzten Gründungsmanifest für eine vereinigte Linkspartei heißt es, die Linke wolle „Schluss machen mit einer Politik, die das öffentliche Vermögen verkauft und damit die Bevölkerung enteignet“. Statt einer „neoliberalen Privatisierung“ wolle sie eine staatliche und kommunale Verantwortung für Bildung und Gesundheit, Wasser- und Energieversorgung, für Stadtentwicklung und Wohnungen, für öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie für wichtige Teile der Kultur. Bartsch hingegen argumentiert, auch eine „progressive Entstaatlichung“ könne notwendiger Teil einer „Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus sein“.m.m.

Junge Welt, 10.07.2006
Abgeschrieben*: WASG will bundesweite Kampagne gegen Privatisierung starten
* Wir dokumentieren in Auszügen eine Medieninformation des Bundesvorstandes der WASG vom Sonntag: Der Bundesvorstand der WASG hat nachdrücklich seine Absicht bekräftigt, eine bundesweite Kampagne gegen Privatisierung zu starten. Felicitas Weck und Thomas Händel, geschäftsführende Bundesvorstandsmitglieder der WASG unterstrichen ihre Absicht gemeinsam mit Linkspartei, Globalisierungskritikern, Sozialverbänden und Gewerkschaften gegen die Privatisierung Front zu machen. »Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muß jetzt endlich Schluß gemacht werden«, so Weck und Händel am Sonntag.
Die WASG habe bereits eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung beauftragt und lädt die Linkspartei zu einem Arbeitstreffen ein, Möglichkeiten, Anforderungen und Realisierung einer Kampagne »Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums« in Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der Linkspartei.PDS und der WASG zu bestimmen und diese Kampagne im Rahmen des Parteibildungsprozesses zu führen. Erste Beratungen sollen noch im Juli stattfinden. In einem Brief an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS wird betont, daß der Kampf gegen Privatisierungen ein Kampf für die Schwächsten, für Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und damit ein zentrales Markenzeichen linker Politik weltweit ist. Mit dieser Kampagne könne ferner der Parteibildungsprozess weiter politisiert und über die Mitgliedschaften beider Parteien hinaus erweitert werden. (…)

Neues Deutschland, 11.07.2006, URL: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=93383&IDC=2
Linkspartei will mit Kampagne warten
WASG drängt auf Aktion gegen Privatisierung Von Tom Strohschneider
Zwischen Wahlalternative WASG und Linkspartei gibt es Unstimmigkeiten über Termin und Ausrichtung einer Kampagne gegen Privatisierungen. Der Vorstand der Linkspartei hat gestern bei einer Gegenstimme beschlossen, eine bundesweite Kampagne gegen Privatisierungen nicht vor Abschluss der Aktivitäten für einen Mindestlohn vorzubereiten. Mit dem Start entsprechender Aktivitäten ist demnach nicht vor 2007 zu rechnen. In einer von PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch eingereichten Vorlage heißt es, »zwei Kampagnen gleichzeitig lassen sich nicht führen«. Außerdem seien die Forderungen »Keine Privatisierungen« bzw. »Den Privatisierungswahn stoppen« für eine politische Kampagne »zu unbestimmt und abstrakt«, also nicht geeignet. Der Vorstand möge stattdessen weiterhin regionale Aktivitäten und kommunale Kampagnen politisch und materiell unterstützen.
Darüber hinaus war in dem Papier darauf hingewiesen worden, dass »die Haltung zur Rolle öffentlichen Eigentums« auch in der Linken »nicht unumstritten« sei, etwa mit Blick auf Rolle und Aufgaben des Staates. Die »grundsätzliche Position« der Linkspartei bleibe davon aber unberührt. Der Parteivorstand müsse jedoch praxistaugliche Kriterien weiterentwickeln, so das Papier. Nach dessen Bekanntwerden hatte sich die WASG-Spitze am Wochenende in einem Brief an den PDS-Vorstand gewandt und nochmals die Notwendigkeit einer Anti-Privatisierungs-Kampagne bekräftigt. Die WASG strebt einen Kampagnen-Start im November an. Der Bundesvorstand hatte bereits Anfang Juli eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Aktion »Für eine solidarische Gesellschaft – gegen Privatisierung öffentlichen Eigentums« vorbereiten soll. Erste gemeinsame Beratungen, so das Angebot an die Sozialisten, könnten am 15. Juli stattfinden. Die Linkspartei-Spitze gab gestern grünes Licht für die Teilnahme an diesem Gespräch, sieht aber noch weiteren Klärungsbedarf.
In der WASG-Spitze zeigte man sich gestern irritiert – nicht zuletzt, weil es in der Vorlage Bartschs heißt, Initiativen für eine Kampagne seitens des WASG seien der Linkspartei nicht bekannt. Zum Zeitpunkt, zu dem die Beschlussvorlage des PDS-Geschäftsführers verfasst wurde, hatte die WASG-Spitze ihre Arbeitsgruppe zwar noch nicht gebildet. Jedoch hätte man dies, so die Kritik, jederzeit – etwa während der Fraktionsklausur in der letzten Woche – in Erfahrung bringen können.

Junge Welt, 11.07.2006, URL: http://www.jungewelt.de/2006/07-11/038.php
Basis watscht Bartsch ab
Jörn Boewe
Dietmar Bartsch fand es gar nicht witzig. Eigentlich hatte der Geschäftsführer der Linkspartei.PDS gehofft, der Vorstand würde am Montag seinen Antrag, eine geplante Antiprivatisierungskampagne fallenzulassen, ohne viel Aufsehen durchwinken. Aber nach den zahlreichen wütenden Protestmails und Anrufen vom Wochenende war ihm schon klar, daß das schwierig werden würde.
Die Kampagne findet doch statt, aber nicht vor 2007. Auf diese salomonische Lösung verständigte sich der Parteivorstand am Montag nachmittag. Zur Vorbereitung wird ein gemeinsamer Arbeitskreis mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gebildet, an dem für die Linkspartei die Vorstandsmitglieder Sahra Wagenknecht und Harald Werner beteiligt sein werden. Auf ihrem Bundesparteitag Ende April in Halle hatte die Linkspartei beschlossen, gemeinsam mit der WASG im Herbst eine »Kampagne zum Stopp des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums und zur Zurücknahme der unsozialen Privatisierungspolitik im Bereich der Daseinsvorsorge« zu führen. Doch die Gegenoffensive des Apparats ließ nicht lange auf sich warten. Wie jW am Sonnabend berichtete, hatte Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch in einem Antrag an den Parteivorstand gefordert, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen. Vordergründig argumentierte er, man könne neben der bereits laufenden Aktion zum Thema Mindestlohn keine zweite Kampagne führen. Wenn die im November beendet sei, stünde der Parteibildungsprozeß auf der Agenda und nicht eine neue Kampagne. In den Thesen, mit denen Bartsch seinen Antrag untermauerte, wird indes deutlich, daß es um mehr geht, nämlich um eine ideologische Rechtfertigung der Privatsierungspolitik, die Linksparteifunktionäre nicht nur in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in zahlreichen Kommunen betreiben. Nahegelegt wird, daß Privatisierung ein Weg zur »Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen« sei. Unstrittig sei lediglich, daß die Linke Privatisierung »nicht aktiv« initiieren und vorantreiben solle. Während die Linksparteiführung das leidige Problem erstmal in einen Arbeitskreis verschoben hat, hält die Schwesterpartei WASG das Thema nach wie vor für zentral. »Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muß jetzt endlich Schluß gemacht werden«, hatten die WASG-Bundesvorstandsmitglieder Felicitas Weck und Thomas Händel in einer am Sonntag verbreiteten Erklärung gefordert. In einem Brief an den Linksparteivorstand hatte die WASG Ende letzter Woche vorgeschlagen, noch im Juli mit Arbeitstreffen zur Vorbereitung der Kampagne zu beginnen. »Privatisierung der Daseinsvorsorge greift in wesentliche demokratische Rechte ein«, bekräftigte Felicitas Weck die WASG-Position gestern gegenüber jW, »Wir können uns nicht immer stärker von Konzernen unter Druck setzen lassen.«

Bei Reits kaempft Steinbrueck mit der Union gegen die SPD

Das Bundesfinanzministerium hat vor Nachteilen für den deutschen Finanzplatz
durch eine Blockade börsennotierter Immobilienfonds gewarnt. Die SPD-Fraktion
sieht ihre Bedenken nicht ausgeräumt.

Das Kürzel Reits (Real Estate Investment Trusts) ist zum Reizobjekt in der
Koalition geworden, bei dem der sozialdemokratische Finanzminister Peer
Steinbrück gemeinsam mit der Union gegen Widerstände in der SPD kämpft. Die
zuständigen SPD-Abgeordneten fürchten bei einer Einführung von Reits
Steuerverluste für die öffentlichen Haushalte und Gefahren für Mieter. "Ob
nimmersatte Raupen sich am Mietwohnungsmarkt voll fressen oder Heuschrecken
in die Häuser kommen, hängt weitgehend davon ab, ob wir ihnen die Tür dazu
mit Reits selbst sperrangelweit aufmachen", heißt es in einer Stellungnahme
aus der SPD-Fraktion.

Damit stellen sich die sozialdemokratischen Abgeordneten nicht nur gegen die
Union, sondern auch gegen Steinbrück. Dessen Beamten haben auf gut 20 Seiten
die "Argumente für die Einführung deutscher Reits" zusammengestellt. In dem
Papier verweisen sie darauf, dass der Druck auf Deutschland wachse, weil nun
bald auch Großbritannien wie schon andere europäische Länder Reits zulassen
werde. "Führt Deutschland keine Reits ein, so wird die Wettbewerbsfähigkeit
des Finanzplatzes Deutschland weiter beeinträchtigt." In diesem Fall
entstünden qualifizierte Arbeitsplätze "vor allem in Paris und London und
nicht in Deutschland". Die Immobilienfonds würden ohnehin aufgelegt, dann
aber eben im Ausland.

Die Befürchtungen für den Wohnungsmarkt halten die Experten aus dem Hause
Steinbrück für überzogen. Sie rechnen nur mit "leichten Auswirkungen auf die
Wohnungswirtschaft" – und die seien "eher positiv als negativ". So kämen vier
Fünftel der Wohnungen für Reits gar nicht in Frage, da sie vom Eigentümer
selbst genutzt oder von Privatpersonen und Genossenschaften vermietet würden.
Auch für den Rest seien "keine unangemessenen Mietsteigerungen zu erwarten".
Jeder Besitzer sei an das strenge deutsche Mietrecht gebunden und müsse sich
an den örtlichen Mietspiegel halten.

Das Bundesfinanzministerium hält es sogar für möglich, dass durch Reits die
Mieten in Deutschland sinken könnten. Denn mit dem Einzug professioneller
Investoren steige die Effizienz in der Verwaltung. Auch seien Reits als
Eigentümer "nicht von vornherein ,unsozialer‘ als öffentliche Träger" wie
Kommunen. Sie hätten im Gegenteil ein besonderes Interesse, ihre Häuser zu
modernisieren und in Schuss zu halten, um die Mieter langfristig zu binden.
Daher würden sie auch Zusatzleistungen im Vergleich mit den kommunalen
Unternehmen eher ausbauen denn reduzieren. So habe die Deutsche Annigton,
hier zu Lande der größte Eigner von Wohnimmobilien, ein Programm für Senioren
aufgelegt, um sie in Wohnthemen zu beraten oder ihnen Gesundheits- und
Pflegedienste oder Einkaufshilfen zu vermitteln.

Während die SPD-Abgeordneten ihre Kritik nicht widerlegt sehen, drängt die
Union mittlerweile zu einem raschen Handeln. Nach den monatelangen
Diskussionen müsse Steinbrück jetzt zügig einen Gesetzesentwurf vorlegen,
sagte Unions-Fraktionsvize Michael Meister der Nachrichtenagentur Reuters.
Sein Kollege Joachim Poß stellte gegenüber der FR klar, dass die SPD Reits
nicht grundsätzlich ablehne. Vielmehr knüpfe sie ihre Zustimmung an
Bedingungen. Das Bundesfinanzministerium habe noch nicht ausreichend belegt,
dass der deutsche Finanzstandort und der Immobilenmarkt von dem
Finanzinstrument profitierten. So fehle die Begründung, warum die
Finanzbranche nicht auch ohne "steuerliche Ausnahmeregelungen" ihre Geschäfte
hier machen könne.
 
VON MARKUS SIEVERS, Frankfurter Rundschau, 03.06.2006

Veranstaltung am 9.5.06 in Berlin

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz und das Gen-ethische Netzwerk laden ein:
Gentech-Anbau in Brandenburg – Was droht? Erfahrungen aus Kanada – aktuelle Situation in Brandenburg
mit Percy Schmeiser (kanadischer Landwirt, in englischer Sprache mit Übersetzung) und Nora Mannhardt (Aktionsbündnis gentechnikfreies Berlin/Brandenburg)
am Dienstag, 9.5.2006 um 19:00 Uhr
im „Umweltforum Berlin“ (Alte Mälzerei)
10249 Berlin-Mitte, Friedensstrasse 91. ( http://www.umweltforum-berlin.de )

Percy Schmeiser spricht in Englisch, die Veranstaltung wird übersetzt.

Aus dem Einladungstext

Brandenburg ist in Deutschland das Land, in dem die transgenen Saaten ausgebracht werden. Für dieses Jahr sind etwa 800 Hektar (Deutschland ca. 1.700 ha) angemeldet. Die Situation in Brandenburg wird Nora Mannhardt vom Aktionsbündnis gentechnikfreies Berlin und Brandenburg darstellen. Was sind möglicher Gründe, wie organisiert sich der Widerstand?

Die Koexistenz konventioneller, ökologischer und gentechnisch veränderter Nutzpflanzen ist nicht möglich. Dies zeigen die Erfahrungen mit Kontaminationen in Kanada. Dort wird es vermutlich niemals mehr möglich sein, gentechnikfrei zu produzieren. Einige der dortigen Landwirte hat dies schon an den Rand des Ruins getrieben.

Percy Schmeiser, kanadischer Rapsbauer, berichtet über 10 Jahre Gentech-Anbau in Kanada und zeigt die Praktiken der Gentechnik-Konzerne auf. Schmeisser hatte den Gentechnik-Konzern Monsanto wegen Kontamination seiner Felder verklagt. Weil die kanadische Regierung und die Justiz voll auf der Seite der Gentechnik-Konzerne stehen, wurde in seinem und in vielen anderen Fällen gegen geltendes Recht und zugunsten der Industrie entschieden.

Der Fall verdeutlicht auch die Zusammenhänge zwischen Koexistenz, Kontamination und den so genannten Schutzrechten an geistigem Eigentum, das heißt der Patentierung – das heißt der Privatisierung von Saatgut.

Kanadische Farmer bringen Gentechnik vor UN-Menschenrechtsausschuss: Nun erhebt der kanadische Farmer Percy Schmeiser vor dem UN-Ausschuss für Menschenrechte in Genf Klage gegen die kanadische Regierung wegen Menschenrechtsverletzungen durch die Gentechnik in der kanadischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion (Stichtag 1. Mai 2006).

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*In Kanada ist der Zug gentechnikfreier Produktion bereits abgefahren – aber bei uns ist es noch nicht zu spät!*
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Hier ein Interview mit Percy Schmeiser aus der Mitgliederzeitschrift Umweltnachrichten (Dez. 2005) des Umweltinstitutes München. Das Interview führte Andreas Bauer.

Interview mit Landwirt Percy Schmeiser: „Eine ökonomische Katastrophe”

Im August 1998 verklagte der Gentechnik-Konzern Monsanto den kanadischen Bauer Percy Schmeiser, gentechnisch verändertes patentiertes Raps-Saatgut widerrechtlich angebaut zu haben: Schmeisers konventionelle und die Bio-Felder seiner Frau waren von genverändertem Saatgut verunreinigt. Zwei Gerichte verurteilten ihn zu einem Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro. Erst das oberste kanadische Bundesgericht stoppte den Konzern im Jahr 2004: Schmeiser wurde von Schadensersatzforderungen an den Konzern freigesprochen. Doch gleichzeitig befand das Gericht, dass Monsanto grundsätzlich im Recht sei und die Patentansprüche des Konzerns auch für kontaminierte Äcker gälten. 2005 hat Percy Schmeiser Gegenklage gegen Monsanto eingereicht, wegen Umweltverschmutzung und Zerstörung von Schmeisers gentechnikfreier Saatgutzüchtung.

Umweltinstitut München e.V. (UIM): Mr. Schmeiser, wie sind Ihre derzeitigen Beziehungen zu Monsanto?
Schmeiser: Ziemlich angespannt. Monsanto versuchte während der letzten Jahre, mich als Person zu diskreditieren, sowohl in den Medien als auch in meiner persönlichen Umgebung. Und das macht Monsanto nach wie vor. Zum anderen versuchen sie jetzt, mich mit Hilfe einer Knebel-Anordnung, der so genannten „Gag-Order“, ruhig zu stellen. Das ist eine Art gerichtlich verhängtes Redeverbot. Dadurch wäre mir das Recht genommen, über Monsanto zu sprechen. Dabei ist das einzige, was ich tue, darüber zu berichten, dass Monsanto mein gesamtes Ackerland kontaminiert hat.

UIM: Dagegen haben Sie jetzt Klage eingereicht.
Schmeiser: Ja, aber leider agiert Monsanto jetzt bösartiger als je zuvor. Der Grund ist meiner Meinung nach, dass der Konzern allein im letzten Quartal 125 Millionen US-Dollar Verlust gemacht hat. Und zwar ausschließlich deshalb, weil es sich, wie ein Journalist geschrieben hat, um eines der meistgehassten Unternehmen der Welt handelt, ein Unternehmen, das zentral an der Eliminierung der Rechte der Bäuerinnen und Bauern, und der Redefreiheit auf der ganzen Welt beteiligt ist. Letztes Jahr wurde Monsanto für die Dauer von zwei Jahren die Geschäftsausübung in Indonesien verboten, weil der Konzern für eine schnelle Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen die Behörden bestochen hatte. Auch in anderen Ländern gab es Korruption im Zusammenhang mit der Vermarktung von Monsantos Gen-Pflanzen.

UIM: Weswegen genau klagen Sie Monsanto an?
Schmeiser: Die erste Klage bezieht sich auf die Haftung für die Verunreinigung meiner Felder mit Genraps in den Jahren 1997 und 1998. Ich fordere Schadensersatz für die Zerstörung meines selbstentwickelten Raps-Saatguts, in dem 50 Jahre Forschung und Entwicklung stecken.
Vor zwei Monaten stellte ich zudem eine erneute Kontamination meiner Felder fest. Ich versuchte, Monsanto dazu zu bewegen, die Genrapspflanzen von meinem Feld zu entfernen. Monsanto war dazu nur unter der Bedingung bereit, dass ich einen so genannten „Release“ -Vertrag unterzeichne. Damit hätte ich allerdings für alle Zeiten Grundrechte, wie das auf freie Meinungsäußerung, an Monsanto verkauft. Der Vertrag hätte besagt, dass ich Monsanto nie wieder verklagen darf. Zweitens hätte ich auch alle bereits eingereichten Klagen gegen Monsanto zurückziehen müssen. Drittens hätte ich Zeit meines Lebens mit keinem Menschen mehr über Monsanto sprechen dürfen.
Zusätzlich hätte mir der Vertrag verboten, Raps und verwandte Arten, also zum Beispiel Senf, anzubauen. Denn Monsanto weiß, dass es dadurch erneut zu Kontaminationen meiner Felder durch gentechnisch veränderte Rapspollen kommen würde, der auch in verwandte Arten, wie eben Senf, auskreuzen kann. Kurzum, ich hätte sämtliche demokratische Rechte an der Eingangstür von Monsanto abgegeben. Ich bin Besitzer des Landes, ich zahle Steuern dafür, und alle Rechte dafür sollen an Monsanto gehen?
Wenn ich nach St. Louis, zur Konzernzentrale von Monsanto, fahren würde, um ihre Freilandversuche zu kontaminieren, und danach die Rechte auf diese Pflanzen reklamieren würde, hätte ich nach spätestens 24 Stunden ein Verfahren am Hals, das damit enden würde, dass man mich bis ans Ende meiner Tage einsperren würde.
Das Problem ist nach wie vor, dass die Menschen nicht darüber informiert sind, was passiert. In Kanada kann aufgrund der gentechnischen Verunreinigungen keine biologische Soja und kein biologischer Raps mehr angebaut werden. Das Grundrecht der Wahlfreiheit der Bauern ist zerstört.

UIM: Welche ökonomischen Auswirkungen hat der Anbau von Genpflanzen in Kanada?
Schmeiser: Der Anbau ist eine ökonomische Katastrophe. Viele Länder kaufen keine kanadischen Produkte mehr, die in irgendeinem Zusammenhang mit Raps oder Soja stehen könnten. Das betrifft neben den Bauern natürlich auch die nachgelagerten Industrien, also die Lebensmittelverarbeitung. Darüber hinaus kommt es zu einer Art Dominoeffekt: Auch die Nachfrage nach anderem Getreide aus Kanada ist zurückgegangen. Ganz konkret passiert folgendes: Die Rapserträge der kanadischen Bauern sind zurückgegangen, die Erträge sind von geringerer Qualität, für die Produktion müssen mehr Pestizide eingesetzt werden und das Einkommen der Bauern ist stark zurückgegangen. Durch die flächendeckende Kontamination ist auch die Wahlfreiheit der Bauern verloren.

UIM: Wie sieht es mit der sozialen Struktur in den ländlichen Gebieten aus? Hat sich auch diese durch den Anbau von GVO verändert?
Schmeiser: Auch das soziale Gefüge ist entgleist. Durch die Lizenzverträge mit Monsanto verlieren die Bauern das Grundrecht auf Redefreiheit. Die gesetzliche Lage verstärkt ihre Rechtlosigkeit noch zusätzlich. Sie müssen sehen, dass ein Bauer in Kanada in dem Moment schuldig gesprochen werden kann, wenn Monsantos Genraps auf seinem Feld gefunden wird. In meinem Fall hat das Gericht geurteilt, dass ein Bauer verpflichtet ist zu wissen, ob seine Ernte, sein Saatgut, oder sein Land mit Monsantos Genpflanzen kontaminiert ist. Wenn er nicht gentechnisch verändertes Saatgut aus einem Teil seiner Ernte anbaut, das mit Monsantos Genraps verunreinigt ist, verletzt er damit automatisch Monsantos Patent und kann von dem Konzern verklagt werden. Der einzige Ausweg besteht darin, gleich Monsantos Raps anzubauen. Denn in dem Moment, in dem sich Monsantos Gene auf seinem Feld befinden, kann Monsanto ihn dazu zwingen, seine gesamte Ernte zu vernichten. Wie soll ein Bauer wissen, ob sich Monsantos Raps auf seinem Feld befindet? Die einzige Möglichkeit, die er hat, ist sein Feld mit Roundup zu spritzen: Wenn 98 Prozent seiner Pflanzen sterben, und zwei Prozent überleben, weiß der Bauer, dass zwei von 100 Pflanzen kontaminiert sind. Doch es gibt keinerlei Toleranz. Selbst eine einzige Pflanze würde genügen, um alle Rechte an Monsanto zu verlieren. Das Gericht sprach im Urteil meines Falls davon, dass die „bloße Anwesenheit“ von Monsantos patentierten Genpflanzen auf meinem Acker ausreichen würde, um Monsantos Ansprüche zu rechtfertigen. Der oberste kanadische Gerichtshof urteilte auch, dass es bedeutungslos sei, wie es zu der Verunreinigung der Felder kommt.

UIM: Hat sich auch das Verhältnis der Landwirte untereinander verändert?
Schmeiser: Natürlich. Es ist ein starkes Misstrauen gegeneinander entstanden. Der Grund ist, dass Monsanto Bauern oder andere Leute dafür belohnt, wenn sie z.B. einen Nachbarn anzeigen. Zudem besitzt Monsanto eigene „Polizei“-Kräfte, welche die Menschen auf dem Land aushorchen. Ich erzähle ihnen ein Beispiel aus meinem Dorf: An Tankstellen in Kanada werden auch Pestizide verkauft. Monsantos Leute gingen also zu einer Tankstelle in meinem Dorf und sagten dem Besitzer: „Sprich mit den Bauern, frag sie ob sie Raps gepflanzt haben. Falls sie Raps anbauen, frag sie, wie viele Hektar. Dann gib uns diese Informationen weiter.“ Im Gegenzug bekam der Tankstellenbesitzer gute Konditionen und Rabatte beim Einkauf der Pestizide von Monsanto. Das ist ein Weg, wie Monsanto an Informationen kommt. Seit diese Geschichte bei mir im Dorf herauskam, tanke ich natürlich woanders.

UIM: Können Sie noch von weiteren Fällen berichten?
Schmeiser: Es gibt viele bekannte Fälle. Einem befreundeten Geschäftsmann, der auch Bauer ist, passierte folgendes: Er baute 200 acre (80 ha) von Monsantos Genraps an und schloss mit dem Unternehmen einen so genannten Technologie-Vertrag über diese Fläche ab. Dieser sieht vor, dass ein Bauer pro acre 15 kanadische Dollar Patentgebühren an Monsanto zahlen muss. Bei seiner Versicherung waren die entsprechenden Flächen jedoch mit 208 acre veranschlagt. Monsantos Spitzel müssen auf irgendeine Weise Zugang zu diesen Unterlagen bekommen haben. Es fehlten also acht acre, und laut dem Technologie-Vertrag hatte er damit eine Lizenzgebühr von 15 Dollar pro acre unterschlagen, was einem „Gesamtschaden“ von 120 Dollar entspricht. Monsanto wollte jedoch eine Strafgebühr von 200 Dollar pro acre kassieren, die mein Bekannter natürlich nicht zahlen konnte. Monsanto verlangte nun für einen Verzicht auf ein Strafverfahren, dass mein Bekannter ebenfalls Spitzeldienste übernehmen sollte und Nachbarn melden, die von Kontaminationen wussten, diese aber aus Angst vor den finanziellen Forderungen Monsantos nicht melden wollten. Er ist darauf eingegangen, hat aber nie jemanden gemeldet.
Ich erzähle Ihnen noch von einem dritten Fall: Wenn Sie in Kanada Getreide verkaufen, müssen Sie Aufzeichnungen darüber in einem Buch dokumentieren. Dieses Buch ist Privatbesitz des Bauern. Da diese Aufzeichnungen von großer Wichtigkeit sind, hinterlegen es viele Bauern im Safe des örtlichen Getreidehändlers. Monsanto lädt nun diese Getreidehändler zu Wochendausflügen oder zum Essen ein und kommt so schließ-lich in den Besitz der Aufzeichnungen. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, was diese Vorfälle mit dem sozialen Netz auf dem Land anrichten.

UIM: Der Presse kann man entnehmen, dass sich kanadische Bauern, vor allem Biobauern inzwischen wehren. Sie haben Genkonzerne wie Monsanto und Bayer verklagt. Wie beurteilen Sie die Aussichten, dass die Konzerne schuldig gesprochen werden?
Schmeiser: Die Vereinigung der Biobauern aus Saskatchewan (das Saskatchewan Organic Directorate) hat Monsanto und Bayer wegen der Kontaminationen auf Schadensersatz verklagt. Die Klage bezieht sich auf die Haftung für entstandene ökonomische Schäden, vor allem den Verlust von Exportmöglichkeiten, da kein biologischer Raps mehr angebaut werden kann. In erster Instanz haben die Bauern den Prozess verloren. Im Moment droht er bereits an der Frage zu scheitern, ob die Bio-Bauern als Vereinigung überhaupt das Recht haben, diese Klage einzureichen. Monsanto versucht den Prozess zu verschleppen. Schon jetzt hat er die Bio-Bauern 300.000 Dollar gekostet. Allein für die Frage nach der Zulässigkeit der Klage sind drei Jahre ins Land gegangen.

UIM: Welche Rolle spielt eigentlich die kanadische Regierung?
Schmeiser: Die kanadische Regierung unterstützt die Gentechnikindustrie bedingungslos. Monsanto arbeitet mit den zuständigen Behörden, z.B. der Lebensmittel- oder der Umweltbehörde, Hand in Hand. Ein Beispiel vom April 2004 mag Ihnen zeigen, wie eng die Verbindung ist. Monsanto stand damals kurz vor der Zulassung von gentechnisch verändertem Weizen. Dann kam heraus, dass die Regierung mit Monsanto ein Abkommen geschlossen hatte: In dem Vertrag stand, dass die Regierung für jedes Kilo Genweizen einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns erhalten sollte.
Derzeit stehen wir in Kanada auch vor einer Überarbeitung der Saatgut-Gesetzgebung, dem Seed Sector Review. Die Vorschläge der Gentechnikindustrie für dieses Gesetz wurden bislang nur noch nicht umgesetzt, weil Wahlen bevorstanden. Mit diesem Gesetz würde die Saatgutindustrie die totale Kontrolle über die Landwirtschaft übernehmen. Denn der zentrale Punkt des Gesetzes ist, dass es den Nachbau von gekauftem Saatgut schlichtweg verbietet. Dieser Passus bezieht sich nicht nur auf Getreide, sondern auch auf Gartenblumen oder Bäume. Damit würden nicht nur Bauern, sondern auch Gärtner und Forstwirte total entrechtet. Die Industrie versucht, dieses Gesetz ohne öffentliches Aufsehen durchzubekommen. Die Situation ist sehr ernst.
Und dennoch: Seit einigen Jahren stockt die Zulassung neuer Gentechnikpflanzen. Bis heute gibt es nur sehr wenige kommerzialisierte Arten, vor allem Raps, Mais, Soja und Baumwolle. Was die Einführung weiterer GVO verhindert hat, war nicht die Umweltproblematik und nicht die gesundheitlichen Effekte, sondern der grandiose ökonomische Misserfolg. Die Bauern merken langsam, dass sie betrogen wurden.

UIM: Warum wächst die Anbaufläche in Kanada dann nach wie vor? Warum bauen die Bauern überhaupt noch gentechnisch verändertes Saatgut an?
Schmeiser: Viele haben Angst. Sie wissen, dass sie von Monsanto jederzeit verklagt werden können, denn ihre Felder sind genauso kontaminiert wie meine. Der einzige Ausweg sich vor Klagen zu schützen ist gleich Monsantos Genpflanzen anzubauen.

Das Interview führte unser Mitarbeiter Andreas Bauer.
Erschienen in unserer Mitgliederzeitschrift Umweltnachrichten, Ausgabe 102 / Dez. 2005

„Was damit geschaffen wird, ist eine Kultur der Angst“
Am 28. Oktober 2005 hielt Percy Schmeiser in Zürich den Vortrag, denn Sie hier ( http://www.umweltinstitut.org/download/vortrag_schmeiser_zuerich_okt2005.pdf ) als PDF-Datei herunterladen können.

Technologievertrag in Originalfassung und übersetzt als PDF-Datei zum Herunterladen ( http://www.umweltinstitut.org/download/technologievertrag_monsanto.pdf )

Kraeuter: Arznei oder Lebensmittel?

In Brandenburg dürfen Bauern keine Kräutertees mehr produzieren und verkaufen. Begründung: Nach dem Arzneimittelgesetz bräuchten sie dazu eine pharmazeutische Ausbildung. Grüne: Damit wird die Verwertung traditionellen Wissens monopolisiert.
Für die taz von MARINA MAI aus Belzig:
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker, heißt es. Weil er weder Arzt noch Apotheker ist, darf Landwirt Thomas Beutler keine Tees mehr produzieren und verkaufen, die Risiken und Nebenwirkungen haben könnten. Insgesamt elf Kräuter wie Birkenblätter, Malvenblüten, Frauenmantelkraut und Hirtentäschel hat das Brandenburgische Gesundheitsministerium als Arzneimittel statt als Lebensmittel eingestuft. Bauern ist damit die Produktion untersagt. Was wie eine Provinzposse begann, beschäftigt jetzt auch den Deutschen Bundestag. Die bündnisgrüne Abgeordnete Cornelia Behm hat einen schriftlichen Bericht der Bundesregierung über Kräuter vom Bauern angefordert. Auch im Agrarausschuss ist das Thema angemeldet.
Bisher hatte Beutler, der im brandenburgischen Belzig lebt, die Wiesen und Wälder der dünn besiedelten Fläming-Region nach diesen Kräutern abgesucht. Die Tees bot er als regionaltypische Produkte in Touristenshops an. Nicht als Einziger. Auch dem Inhaber eines großen Fruchthofs ist beispielsweise untersagt worden, Zitronenmelisse an Fruchtgelees zu mischen. Beutler wehrt sich juristisch gegen das Verbot. Das Ministerium hat gegen ihn Strafanzeige wegen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz erstattet.
Aus anderen Bundesländern sind keine vergleichbaren Fälle bekannt. Doch Brandenburg hat sich mit einer bundesweiten Umfrage abgesichert: Demnach soll die Mehrheit der Länder die Brandenburger Einordnung der Kräuter als Arznei mittragen.
Das will die Grüne Cornelia Behm nicht einfach hinnehmen. Es könne nicht sein, „dass viele Kräuter, die seit Jahrhunderten ganz selbstverständlich verwendet werden, nicht mehr von kleinen bäuerlichen Betrieben, sondern nur noch von Pharmazeuten produziert und vertrieben werden dürfen“. Der Bericht der Bundesregierung soll in nächster Zeit vorliegen. Behm: „Ob die Brandenburger Praxis dann Bestand hat, wird sich ja zeigen.“
Brandenburgs Gesundheitsstaatssekretär Winfrid Alber (SPD) verteidigt das Kräuterverbot. „Johanniskraut, Weißdornbeeren und die anderen anstehenden Kräuter fallen unter das Arzneimittelgesetz, weil sie bundesweit eine Standardzulassung als Arzneimittel haben“, hatte er im Februar erklärt. Behörden hätten deshalb „keinerlei Ermessensspielraum, einen Vertrieb als Lebensmittel zu gestatten“. Lediglich bei einem verbotenen Kraut, dem Spitzwegerich, sei sein Ministerium zu keinem eindeutigen Ergebnis gekommen und müsse die Rechtslage erneut prüfen. Inzwischen will sich das Brandenburger Gesundheitsministerium zum Kräuterverbot allerdings nicht mehr öffentlich äußern, erklärte eine Sprecherin.
Landwirt Beutler vergleicht seine Situation mit der von Bauern in Staaten der Dritten Welt. „Dort gibt es immer wieder Versuche der Pharmaindustrie, Pflanzen und traditionelles Heilwissen zum Patent anzumelden, um sich ein Monopol zu sichern.“ In Deutschland brauche die Pharmaindustrie nicht einmal ein Patent. „Es reicht eine Standardzulassung als Arzneimittel“, so Beutler. „Dann schaffen Ministerialbeamte den Pharmabetrieben lästige Mitbewerber vom Hals.“
Um Arzneimittel produzieren zu dürfen, benötigt ein Betrieb eine Anzeige beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte und eine spezielle Herstellungserlaubnis vom Land. Dazu sind nach Auffassung der Brandenburger Behörden pharmazeutisch ausgebildetes Personal und spezielle räumliche Voraussetzungen erforderlich. Beutler hält diese Investitionen für bäuerliche Kleinbetriebe schlicht für nicht machbar.
taz vom 8.4.2006, S. 8, 121 Z. (TAZ-Bericht), MARINA MAI

Kampagne englischer Gewerkschaften gegen (Re-)privatisierungen im oeffentlichen Dienst

Die IG-Metall-Zeitung für die Siemens-Beschäftigten informiert über eine neue Kampagne englischer Gewerkschaften:"Privatisierungen von Staatsunternehmen und Aufgaben des öffentlichen Dienstes stellen für Gewerkschaften weltweit eine Herausforderung dar. Schließlich gehen dabei in gut organisierten Branchen oft attraktive Arbeitsplätze mit sicherer Altersversorgung verloren – im Gegenzug leidet die Öffentlichkeit zuweilen unter schlechteren Dienstleistungen. Am Ende profitieren davon vor allem die Unternehmen, die die attraktiven Aufträge mit dem Versprechen von Kosteneinsparungen an Land gezogen haben.Jetzt machen britische Gewerkschaften Front gegen weitere Privatisierungen im öffentlichen Dienst. Unter dem Titel "Public Services NOT Private Profits" haben die Transportarbeitergewerkschaft TSSA, die Journalistenorganisation NUJ, die Lehrervereinigung NATFHE und elf weitere Arbeitnehmerorganisationen Ende März in London eine Kampagne gestartet. In einem Flugblatt  formulieren sie ihr Anliegen:

+ Der öffentliche Dienst und seine Beschäftigten sind durch die Regierungspläne zu Privatisierungen und Job-Abbau unter beispiellosem Druck. In allen Bereichen des öffentlichen Diensts und ohne jegliche Konsultation mit Arbeitnehmerorganisationen sollen Dienstleistungen privatisiert werden. Die Kosten für die Beschäftigten und die Konsumenten spielen dabei anscheinend keine Rolle.
+ den Bereichen Gesundheit, Ausbildung, Kommunalverwaltung, in Gefängnissen und praktisch allen Bereichen der Verwaltung sollen Dienstleistungen privatisiert werden. Das geplante Education & Inspections Gesetz ist dabei nur der neueste Angriff auf die Idee des öffentlichen Diensts. Selbst dort, wo die Privatisierung gescheitert ist und der Staat die Dienstleistungen zurückholen musste, z.B. bei der Eisenbahn, wird jetzt re-privatisiert!
+ Hunderttausende Jobs sind in Gefahr. Das Einkommen, die Renten und die Arbeitsbedingungen von Mitarbeitern des öffentlichen Dienstes sind in Gefahr. Öffentliche Leistungen, auf die unsere Gesellschaft angewiesen ist, werden bedroht.
Der aktuelle Angriff auf den öffentlichen Dienst ist so stark, dass allmählich die Idee des öffentlichen Dienstes selbst in Frage gestellt wird.

Das Privatisierte wird politisch

In Berlin gründete sich ein Bündnis gegen Privatisierung. Die taz berichtete:

Eine neues Bündnis will die umstrittene Privatisierung öffentlicher Betriebe bekämpfen. Vor allem im anstehenden Wahlkampf will sich der parteiübergreifende Zusammenschluss bemerkbar machen – wenn er denn so lange hält.
Die Linke kann sich nicht nur spalten. Am Freitagabend trafen sich im Abgeordnetenhaus ein bunter Haufen, um das „Bürgerbündnis gegen Privatisierung“ zu gründen. Mitglieder von WASG, der Linkspartei, der Sozilistischen Alternative (SAV), der DKP waren genauso gekommen wie parteilose GewerkschafterInnen, Globalisierungskritiker von Attac und einige „interessierte Bürger ohne politischen Zusammenhang“. Den Raum für die mehr als 50 AktivistInnen hatte der Donnerstagskreis der SPD organisiert, in dem sich die letzten linken Berliner SozialdemokratInnen versammeln.
Den gemeinsamen Konsens formulierte Joachim Oellerich von der Berliner MieterInnengemeinschaft, die zu dem Treffen eingeladen hatte. „Wir wenden uns gegen jegliche Privatisierung, egal ob sie in knallhart neoliberaler Manier oder auf scheinbar sozialverträgliche Art und Weise vollzogen wird.“ Das Repertoire potenzieller Aktionen ist groß, wie sich beim Brainstorming der Anwesenden zeigte. Während einige mit Informationsveranstaltungen die von Privatisierung betroffenen Beschäftigten ansprechen wollen, überlegten andere schon, die Zentrale der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) zu besetzen. Das landeseigene Unternehmen hat 1,2 Milliarden Euro Schulden und will daher die Hälfte seiner Wohnungen verkaufen.

Reden über Rückkauf
Eine weiterer geplanter Themenschwerpunkt soll die 1999 erfolgte Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe sein. Attac will bei einer Veranstaltung am 28. April über einen Rückkauf durch das Land diskutieren lassen. Andere Bündnismitglieder wollen gegen die Privatisierung im Nahverkehr, im Bildungsbereich und im Gesundheitswesen aktiv werden. Mit seinen Aktionen will sich das Antiprivatisierungsbündnis im anstehenden Berliner Wahlkampf bemerkbar machen.
Wird also demnächst die von manchen erträumte linke Einheitsfront zumindest außerparlamentarisch Wirklichkeit? Zweifel bleiben. Viele der Anwesenden haben schon lange Bündniserfahrung und organisierten Zusammenschlüsse gegen den Bankenskandal oder den Abriss des Palastes der Republik. Doch meist sprang der Funke nicht auf die breite Masse über. Jüngere Menschen fehlten bei dem Treffen am Freitag fast ganz.
Auch inhaltlich blieben viele Fragen offen. Ein ehemaliges Mitglied der Postgewerkschaft betonte, dass es nicht reiche, nur die Rücknahme der Privatisierung zu fordern. Man müsse dann etwa im Postsektor auch fragen, was mit den Arbeitsplätzen der privaten PIN-AG geschehe, die viele Aufgaben der Post übernommen hat. Eine Gewerkschafterin machte darauf aufmerksam, dass einige einst im öffentlichen Dienst Beschäftigte nach der Privatisierung bessere Arbeitsverträge als vorher hätten und daher an ihrem jetzigen Status gar nichts ändern wollten.
Eine anderen möglichen Kritikpunkt an dem neuen Bündnis nahm Oellerich vorweg. Beim Widerstand gegen die Privatisierung gehe es keineswegs um die Rückkehr zu den alten Zeiten des Berliner Filzes. Stattdessen forderte der Mietervertreter eine Rekommunalisierung mit demokratischer Mitbestimmung.
Auch die Präsenz der verschiedenen linken Parteien könnte für das neue Bündnis zum Problem werden. Zwar betonten deren VertreterInnen, dass man den Parteienstreit nicht ins Bündnis tragen wolle. Ob sich das in der Praxis durchhalten lässt, muss sich erst zeigen. Schon beim Gründungstreffen konnte sich die mit Michael Prütz prominent vertretene Delegation der WASG einige Sticheleien in Richtung der Senatsparteien nicht verkneifen.
PETER NOWAK
taz Berlin, 6.3.2006
Dazu der Kommentar von Felix Lee:

Ein Bündnis trifft den Nerv der Zeit.
Hurra, wieder einmal hat Berlin ein linkes Bündnis mehr. Gegen den Verkauf öffentlicher Infrastruktur wendet sich die nun gegründete Initiative und nennt sich „Bürgerbündnis gegen Privatisierung“. Allein der dröge Name wird schon dafür sorgen, dass sich diesem Zusammenschluss nicht die Massen anschließen werden. Doch wäre es ein Fehler, diese Initiative als Marginalie abzutun. Zu groß ist die Empörung über die Politik des rot-roten Senats. Dieses Bündnis trifft den Nerv der Zeit.
Bereits seit Jahren ist die Berliner Privatisierungslobby parteiübergreifend eifrig dabei, Betriebe der öffentlichen Daseinsfürsorge zu verscherbeln. Das häufig getreu dem Motto: Der Profit wird privatisiert, die Schulden sozialisiert.
Spätestens beim Verkauf der Wohnungsbaugesellschaft GSW ist deutlich geworden, dass die Leistungen keineswegs preiswerter geworden sind, wie immer behauptet wurde. Im Gegenteil: Sorgten die gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaften einst dafür, dass die Mieten stabil blieben, sind sie nun, in privater Hand, selbst zum aggressiven Preistreiber geworden.
Dass jetzt ein Bündnis entstanden ist, dass sich für die Rückführung ehemals öffentlicher Betriebe einsetzt, zeigt: In der Privatisierungspolitik hat ausgerechnet die linkeste aller linken Regierungskonstellationen versagt. Nur deswegen hat der fundamentaloppositionelle und PDS-feindliche Teil der WASG einen so starken Zulauf.
Es mutet vielleicht seltsam an, dass mit VertreterInnen der Sozialdemokraten und der Linkspartei.PDS auch solche Kräfte im Bündnis sitzen, deren Parteispitzen den Ausverkauf der öffentlichen Betriebe zu verantworten haben. Dass sie dabei sind zeigt: Der Unmut hat selbst die eigenen Reihen erreicht.
taz Berlin, 6.3.2006

Ausverkauf stoppen

Etwa 200 Privatisierungsgegner versammelten sich am Sonnabend zur Konferenz »Privatisierung in Berlin« im Schöneberger Gewerkschaftshaus an der Keithstraße. Die ganztägige Veranstaltung war von der Berliner Mietergemeinschaft organisiert und von der Rosa-Luxemburg-Stiftung gefördert worden.
Alle Redner verlangten einen Stopp des Ausverkaufs der kommunalen Wohnungen und des Gesundheitswesens sowie einen Rückkauf der Berliner Wasserbetriebe. Am Ende der Debatten stand eine Resolution gegen weitere Privatisierungen und Partnerschaften der Kommune mit Privat-Unternehmen. Die Entschließung wurde von fast allen Anwesenden unterschrieben.
Zuvor kamen in Einzelreferaten ausschließlich Vertreter von Antiprivatisierungspositionen zu Wort. »Die anderen artikulieren sich aller Orten«, begründet Joachim Oellerich von der Berliner Mietergemeinschaft die einseitige Auswahl. Damit war jedes Streitgespräch im Voraus ausgeschlossen worden.
Aus der Politik waren zwar Gerlinde Schermer und der Abgeordnete Hans-Georg Lorenz eingeladen, die beide der »Donnerstagskreis« genannten SPD-Linken angehören, aber keine Genossen der Linkspartei.PDS. »Tut mir leid, so etwas wie einen Donnerstagskreis habt ihr nicht zu bieten«, spottete Oellerich.
Unter Beschuss stand immer wieder Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linkspartei.PDS), der selbst Abgeordneten den Einblick in die Verträge des Senats mit den Wasserbetriebs-Teileignern RWE und Veolia verweigere und sich dabei auf den Schutz von Geschäftsgeheimnissen als geltendes Recht berufe.
Im Gegensatz dazu verlangte der Regionalforscher Christian Zeller von der Universität Bern öffentliche Kontrolle als Form der Demokratie. Zellers Vorschläge waren weit gefasst, gingen bis hin zur Rekommunalisierung der Post, der Bahn, der Energieversorger und aller anderen für das gesellschaftliche Leben notwendigen Dienste im europäischen Rahmen. »Man muss mehr auf internationaler Ebene denken«, forderte der Wissenschaftler. Wie das praktisch und lokal umzusetzen ist – die Antwort darauf blieb die Konferenz an vielen Stellen schuldig.
Einen Zahlungsboykott der Wasserrechnungen, wie vom Wasserwirtschaftsingenieur Philipp Terhorst in London vorgeschlagen, ist in Deutschland schon deshalb kaum umzusetzen, weil die Be- und Entwässerung bei den meisten Menschen Teil der Miete ist. Die um die Wasserkosten gekürzte Miete könnte schnell als Mietrückstand gelten und zur Räumungsklage führen.
Aber aus einigen Wortmeldungen des Publikums sprach sowieso die Angst vor Vertreibung aus der Wohnung durch eine allgemeine Preisexplosion und die neuen Hartz IV-Gesetze.
Matthias Busse, Neues Detschland, 13.02.2006

Entschieden einseitig. Gegen Privatisierungen veranstaltet Berliner Mietergemeinschaft am 11. Februar eine erste Konferenz. Konzentrierte Diskussion zu Folgen der Enteignung der oeffentlichen Hand erwartet.

Am Anfang stand ein bedauerlicher Befund. Auf der Suche nach Bündnispartnern im Kampf gegen Privatisierungen des öffentlichen Wohnungsbestandes in der Hauptstadt traf die Berliner Mietergemeinschaft auf wenig Zuspruch. Wie Andrej Holm am Dienstag auf einer Pressekonferenz berichtete, fand man sich unverständlicherweise weitgehend isoliert. All die vielen Argumente, alle Hinweise auf die Schäden, die den Mietern und dem Gemeinwesen aus dem Verkauf von Wohnungen entstehen, wurden nicht berücksichtigt. Quer durch alle Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus gehe ein Konsens: Nicht das Ob, sondern höchstens das Wie von Privatisierungen sei noch umstritten. Was dabei den einen die wohltuende Wirkung des Marktes, sei den anderen der unhintergehbare Sachzwang der Globalisierung. Innerhalb von zehn Jahren wurden bis 2005 in Berlin etwa 210 000 Wohnungen verkauft – 55 Prozent davon in der Zeit des SPD-PDS-Senates. Höchste Zeit also, sich anderswo nach Bündnispartern umzusehen.  
Widerlegung der Mythen
Am 11. Februar zieht die Mietergemeinschaft auf einer Konferenz im Berliner DGB-Haus Bilanz. Offenbar führte die Suche nach entschiedenen Privatisierungsgegnern zu vielfältigem Erfolg. Da ist der Donnerstagskreis der Linken in der Berliner SPD, für den Gerlinde Schermer engagiert wie eh und je gegen die Verbetriebswirtschaftlichung der öffentlichen Haushalte streitet. Da sind Kollegen aus dem gewerkschaftlichen Bereich und – nicht zuletzt – kritsche Wissenschaftler. Zusammen können sie den Bogen schlagen von einer Widerlegung der Mythen der Privatisierer über die Bereiche Wohnen, Gesundheitswesen und Wasser bis hin zur politischen Praxis. Denn die Konferenz ist entschieden einseitig, wie Joachim Oellerich von der Mietergemeinschaft hervorhob, den Privatisierern wolle man nicht noch ein Podium bieten, auf dem sie ihre »Der Markt wird’s schon richten«-Position ausbreiten können. Der thematischen Breite und Qualität der Debatte muß das aber keinen Abbruch tun, im Gegenteil. An wenigen Orten im Lande wird sich eine so konzentrierte Diskussion zu den Voraussetzungen und Folgen der Enteignung der öffentlichen Hand organisieren lassen wie in Berlin, wo seit 1996 der Verkauf öffentlichen Eigentums Senatsdoktrin ist. 
Großverkäufe am Pranger
Der Reigen der Großverkäufe begann 1997 mit dem Stromversorger BEWAG. Bereits nach vier Jahren verkaufte der Ersterwerber Southern Energy die BEWAG weiter an Vattenfall – zu 150 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von 1,45 Milliarden Euro. Die beachtliche Wertsteigerung ging nicht auf einen Ausbau des Unternehmens zurück: Die Beschäftigtenzahlen wurden halbiert, die Investitionen auf einen Bruchteil zurückgefahren. Die Befunde beim Gasversorger GASAG und den teilprivatisierten Wasserbetrieben fallen nicht anders aus: Die Preise für Gas, Wasser und Strom steigen, die Investitionen und die Belegschaften werden von den privaten Eigentümern massiv reduziert.  Dabei ist es gerade der angestaute Investitionsbedarf der öffentlichen Hand, der zur Legitimation von Privatisierungen angeführt wird: Die Mobilisierung privaten Kapitals für öffentliche Aufgaben in »öffentlich-privaten-Partnerschaften« endet aber selbstverständlich immer mit der Bereicherung der Privaten und der weiteren Einschränkung der Daseinsvorsorge. Die Konferenz wird deshalb Folgen haben müssen. Vielleicht lassen sich verbindliche Verabredungen treffen, um der Hegemonie der Privatisierer etwas entgegenzusetzen – nicht nur im Berliner Wahljahr 2006, nicht nur in Berlin.  
 
Sebastian Gerhardt, junge welt, 08.02.2006

Gegen den massiven Ausverkauf. MieterGemeinschaft und SPD-Linke veranstalten einen Anti-Privatisierungskongress

Bei der Privatisierung von Einrichtungen der öffentlichen Daseinsvorsorge liegt Berlin bundesweit an der Spitze, meint die Berliner MieterGemeinschaft (BMG). Ob Verkäufe ganzer Wohnungsgesellschaften wie der GSW oder Privatisierungen großer Teilbestände wie aktuell bei der WBM, ob BEWAG, medizinische Einrichtungen oder Wasserbetriebe – die Hauptstadt habe schon lange ihr Tafelsilber verhökert.
Um den Argumenten der Befürworter etwas entgegenzusetzen und Kräfte von Privatisierungsgegnern zu bündeln, findet am kommenden Sonnabend die Konferenz »Privatisierung in Berlin« statt. Am Ende soll ein privatisierungskritisches Bürgerbündnis entstehen. Zu den Vorbereitern gehören neben der BMG der Donnerstagskreis der SPD-Linken, die WASG und Gewerkschafter. Man rechne mit 200 Teilnehmern, schätzt Joachim Oellerich von der BMG vorsichtig. Schließlich ist am selben Tag die Anti-Bolkestein-Demo.
Seit 15 Jahren betreibe Berlin den »massiven Ausverkauf öffentlicher Bestände«, kritisieren die Mieterberater. Von den 482 000 Wohnungen, die 1990 in der Hauptstadt in kommunalem Bestand waren, sind noch 270 000 übrig – knapp 15 Prozent aller Wohnungen. Mehr als die Hälfte gingen unter dem rot-roten Senat über den Tisch, so die BMG.
Der Verkauf wird gern mit den »leeren Haushaltskassen« begründet. Doch die Misere der Wohnungsbaugesellschaften ist hausgemacht: Mit In-Sich-Verkäufen wurden ihnen über 600 Millionen Euro entzogen, sie mussten Sonderdividenden in Höhe von 500 Millionen Euro und normale Dividenden zahlen. Klar, dass sie so auf keinen grünen Zweig kommen.
Viele der Käufer seien überwiegend international agierende Finanzanleger. Wohnungen würden inzwischen wie Wertpapiere gehandelt, kritisiert die BMG. Private Equity-Fonds wie Cerberus verwalten inzwischen etwa 120 000 Wohnungen in Berlin. Zwar setzt ein Eigentümerwechsel nicht die bestehenden Mietverträge außer Kraft. Doch die BMG fürchtet einen schleichenden Abbau des Mietrechtes.
Auch die aktuelle Situation der WBM wird Thema am Sonnabend sein. »Wir werden über die Vorgeschichte informieren und darüber, welche politischen Entscheidungen den Weg geebnet haben«, so der Stadtsoziologe Andrej Holm. Neben der Wasserprivatisierung wird zudem auch die Situation im Gesundheitswesen eine Rolle spielen, kündigte Hermann Werle (BMG) an. So wurden bei Vivantes seit dem Jahr 2000 etwa 3000 Stellen abgebaut, bis 2010 will der Senat bei der Charité 212 Millionen Euro einsparen.
Die BMG hat einen stillschweigenden Konsens, eine Privatisierungslobby quer durch alle Parteien des Abgeordnetenhauses ausgemacht. »Wir haben niemanden entdecken können, der eine privatisierungskritische Haltung auch in der Praxis umsetzt«, so Oellerich.

»Privatisierung in Berlin« am 11.2., DGB-Haus, Keithstraße 1/3, 10 Uhr bis ca. 18.30 Uhr. Die Veranstaltung ist offen, eine Anmeldung nicht nötig.
Anke Engelmann, Neues Deutschland, 08.02.2006

Ungesunde Privatisierung

Auf der website von „Ungesund leben“, der Seite wider den Gesundheitswahn und für ein selbstbestimmtes Leben, werden links rund um das Thema Privatisierung des Gesundheitswesen zusammengetragen. >>> http://www.ungesundleben.de/privatisierung/index.html
Auf der Seite von LabourNet gib es ebenso eine Sonderseite zu den betrieblichen Kämpfen gegen die Privatisierung im Gesundheitswesen >>> http://www.labournet.de/branchen/dienstleistung/gw/privat.html

Das Raster der Krankheit. Portionierung und Bezifferung der Ware Gesundheit

Täglich ist in den Medien von der Praxisgebühr, der Situation Pflegebedürftiger und der elektronischen Gesundheitskarte die Rede. Ein integraler Bestandteil der „Reformen“ im Gesundheitswesen, nämlich die Einführung des DRG-Abrechungssystems wird allerdings selten außerhalb der unmittelbar betroffenen Berufsgruppen diskutiert. Das ist nicht überraschend, denn es handelt sich hier um eine abstrakte, schwer in Kurzberichte zu fassende Materie. Andererseits wird damit eine Entwicklung von enormer Tragweite der öffentlichen Aufmerksamkeit entzogen. >>> http://www.heise.de/tp/r4/artikel/21/21777/1.html