Landkreise drohen mit Privatisierung

Der deutsche Landkreistag (DLT) hat die Gewerkschaft Verdi vor weiteren Privatisierungen kommunaler Betriebe als Folge der derzeitigen Streiks in Baden-Württemberg gewarnt. Die Gewerkschaft plant dennoch eine Ausweitung des Arbeitskampfes.
„Wir sind keine Anhänger der Privatisierung, aber Streiks treiben diese Tendenz voran. Es droht die Gefahr, dass sich mehr und mehr Kommunen dafür entscheiden“, sagte DLT-Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Henneke der FTD. Gestern setzten rund 6500 Beschäftigte des öffentlichen Dienstes den Streik fort.
Mit ihrer Drohung versuchen die Arbeitgeber ihrerseits, Verdi unter Druck zu setzen. Tatsächlich gibt es seit einigen Jahren immer mehr Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen (ÖPP) oder ganze Privatisierungen.
Nach einer Studie des Instituts für Urbanistik sind ÖPP auf kommunaler Ebene mittlerweile weit verbreitet. Seit 2004 sei ein „wirklicher Boom zu verzeichnen“, heißt es in der Studie von Ende 2005. Allerdings sind es vor allem Städte, die versuchen, darüber Effizienzgewinne zu erreichen. Unter den Großstädten nutze mittlerweile mehr als jede zweite die Möglichkeit, Kindertagesstätten, Schulen oder Verwaltungsgebäude teilprivatisiert zu managen. Hochburgen dafür sind Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Insgesamt stellen die Investitionen über ÖPP aber weiterhin nur einen Bruchteil der öffentlichen Investitionen dar.

Erschwerte Partnerschaften
Zudem sind Projekte dieser Art seit einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs von 2005 schwieriger geworden. Das Urteil verpflichtet zu einer europaweiten Ausschreibung, was die Partnerschaften erschwert. „Die Kooperationen waren lange Zeit Trend, sie nehmen allerdings seit diesem Urteil ab“, sagte Karin Opphard, Geschäftsführerin des Verbands Kommunale Abfallwirtschaft und Stadtreinigung (VKS). In dem Verband sind 35 von 430 Mitgliedern Ergebnis einer Kooperation.
„Verdi sägt den Ast ab, auf dem man sitzt“, warnt Henneke. „Wir stehen deutlich zum öffentlichen Dienst, aber die Reaktion der Gewerkschaft ist maßlos“, so der Verbandschef. Verdi streikt gegen die von den Arbeitgebern geforderte Arbeitszeitverlängerung im Westen von derzeit 38,5 Stunden pro Woche auf 40 Stunden.
Drei kommunale Arbeitgeberverbände haben im vergangenen Herbst kurz nach Abschluss des neuen Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TvöD) die darin enthaltene Arbeitszeitregelung gekündigt. Allerdings sind dem Vorstoß von Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hamburg keine anderen kommunalen Verbände gefolgt. In den ostdeutschen Bundesländern gilt bereits die 40-Stunden-Woche. Der Verhandlungsführer der Arbeitgeber in Baden-Württemberg, Mannheims Oberbürgermeister Gerhard Widder, forderte Verdi auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren.

Flexible Streikstrategie
In Baden-Württemberg wurden am Dienstag Urabstimmungen in weiteren 100 Betrieben durchgeführt. Verdi will eine flexible Streikstrategie durchführen, bei der sich die streikenden Betriebe abwechseln. „So soll verhindert werden, dass Fremde eingesetzt werden“, sagte der Sprecher von Verdi in Baden-Württemberg, Ralf Berchtold. Auch in Niedersachsen sind Verdi-Mitglieder zu Urabstimmungen aufgerufen. Ein Ergebnis wird am Freitag vorliegen. Damit könnte ein Streik im Nordwesten in der kommenden Woche beginnen.
In der Metallbranche findet am Mittwoch die erste Verhandlungsrunde zu Lohnerhöhungen statt. Es startet der IG-Metall-Bezirk Hessen, am Donnerstag folgt NRW. Mit Vereinbarungen ist aber noch nicht zu rechnen.

Von Maike Rademaker, Berlin
Aus der FTD vom 08.02.2006 >>> http://www.ftd.de/pw/de/45113.html

Hinterlasse eine Antwort