Deprivatisierung

Wiederverstaatlichung eines Eisenbahnstuecks in Argentinien.

Néstor Kirchner hob die Konzes­sion für zwei von dem privaten Eisenbahnunternehmen Metropolitano betriebenen Linie wegen »schwerer und wiederholter Nichterfüllung« auf. Eine Woche zuvor war es zu schweren Zusammenstößen zwischen Fahrgästen und den Sicherheitskräften gekommen. Nachdem am Nachmittag des 15. Mai wieder einmal unangekündigt der Fahrbetrieb auf der Strecke Buenos Aires–Temperley, einer Schlafstadt im Südosten des Großraums Buenos Aires, eingestellt wurde, platzte den Fahrgästen der Kragen. Sie randalierten in der Halle des Bahnhofs Constitución im Süden der Hauptstadt und zündeten Fahrkartenschalter an. Erst nach mehren Stunden brachte die Polizei die Lage unter Kontrolle.

Die beiden nun wiederverstaatlichten Eisenbahnlinien Roca und Belgrano sur befördern monatlich elf Millionen Passagiere. Die 4440 Angestellten werden künftig von einer staatlichen Auffanggesellschaft bezahlt. Das operative Geschäft übernimmt provisorisch UGOFE, ein Kosortium aus den verbliebenen drei privaten Eisenbahnunternehmen.

Kirchners Korrekturen

Das einst größte Eisenbahnnetz Süd­amerikas wurde zum größten Teil mit englischen Kapital gebaut und in den 50er Jahren unter Juan Domingo Perón verstaatlicht. Bei einer Kundgebung in der Stadt Quilmes, südlich von Buenos Aires, erklärte Kirchner, die Konzessionen seien in der Ära von Expräsident Carlos Sául Menem ab 1994 vergeben worden, »als eine Strecke um die andere stillgelegt wurde und so das Eisenbahnsystem in seiner Gesamtheit zerlegt wurde.« Kirchner unterstrich, er werde den »Kampf gegen die wirtschaftliche Konzentration« in Schlüsselbereichen der Infrastruktur fortsetzen.

Die Teilrücknahme der Bahnprivatisierungen reiht sich in eine Kette von ähnlichen Maßnahmen. 2003 gründete Kirchner die staatliche Luftlinie LAFSA sowie den nationalen Energiekonzern ENARSA. Im selben Jahr hob er auch die Privatisierung der Post auf. Obwohl er angekündigte, die Konzession innerhalb eines Halbjahres wieder auszuschreiben, ist das Unternehmen weiter in staatlichen Händen. Im März dieses Jahres entzog Kirchner der französischen Gruppe Suez die Konzession für die Wasserversorgung aufgrund zu hoher Nickelwerte im Wasser und gründete den neuen staatlichen Versorger Agua y Saneamiento Argentinos (AySA). Die Wiederverstaatlichungspoltitik stößt bei der Bevölkerung bislang auf Zustimmung.

Auszug aus: Timo Berger, Privat ins Chaos, in: Junge Welt v.30.5.07

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