In einer vom Berliner Arbeitslosenzentrum (BALZ), Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und von Wohlfahrtsverbänden im September vorgelegten Bilanz einer mehrwöchigen mobilen Beratungsaktion heißt es, dass viele Ratsuchende darüber klagten, „dass die Jobcenter die tatsächlichen Wohnkosten nicht mehr übernähmen, weil ihre Miete die vom Land Berlin festgesetzten Mietobergrenzen überschreiten würde“. Die Zahl derjenigen, die die Differenz aus dem Regelsatz bestreite, steige an. Eine Kritik an den Regelungen für Langzeiterwerbslose muss zukünftig aber nicht nur die Richtsätze, sondern auch den Gegenstand der Leistung beachten. Schließlich ist seit der Einführung von Hartz IV nicht mehr von den Kosten für eine „Wohnung“ die Rede, sondern nur noch von den Kosten für eine „Unterkunft“. (Mieterecho, Nr. 372)
Notunterkünfte bzw. wohnen im Substandard ist das Schwerpunktthema der aktuellen Ausgabe des Berliner Mieterecho. Gemeint sind Behelfsunterkünfte für Obdachlose, Studierende, Menschen, die ihre Miete nicht mehr zahlen können, Tagelöhner, unliebsame Mieter*innen, ALG II Bezieher*innen, Geflüchtete.
Es handelt sich entweder um
- riesige Zelte auf verseuchten Industriebrachen bzw. auf zukünftigen Baugrundstücken zur profitablen Zwischennutzung
Neben Heimen und Containern beabsichtigt der Senat offenbar auch das Modellprojekt „Traglufthalle“ auf Asylsuchende auszudehnen. „Wir können sonst nicht alle Flüchtlinge angemessen unterbringen“, erklärte eine LaGeSo-Sprecherin Ende Oktober. Zudem seien die projektierten Containerdörfer erst in einigen Monaten fertig. Hatte die SPD diese Lösung kürzlich noch abgelehnt, wurden inzwischen am Poststadion an der Lehrter Straße in Moabit bereits zwei Traglufthallen in Betrieb genommen. (Mieterecho 372)
- Baracken am Stadtrand
Die Grundstücke befinden sich im Eigentum des Liegenschaftsfonds oder landeseigener Unternehmen. Eine „Taskforce Notunterbringung“ innerhalb des Landesamts für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) hatte die Objekte ausgewählt. Bauherr ist die Behörde selbst, die für den Kauf und den Bau ein Volumen von 42,7 Millionen Euro angab. Der Betrieb der Massenunterkünfte wird ausgelagert an freie Träger. Die Verträge mit den Einrichtungsbetreibern haben eine Laufzeit von zunächst zwei Jahren, der Hersteller habe jedoch eine Lebensdauer der Container von mindestens zehn Jahren garantiert. Im Köpenicker Allende-Viertel wurden Ende Dezember die ersten Flüchtlinge aus Syrien, Serbien, Bosnien und Afghanistan in Containern untergebracht. Die Flüchtlinge wohnen in standardisierten 2-Bett-Zimmern mit einer Dusche für 15 Personen auf jeder Etage. Betreiber ist der Internationale Bund (IB). „Das ist ein normales Wohnhaus. So sehe ich es zumindest“, mit diesen Worten verteidigt Peter Hermanns, Heimleiter des IB, die knapp 15 qm großen Doppelzimmer gegenüber der Presse. (Mieterecho 372)
- umgebaute Schiffscontainer im Grünen Nahe dem städtischen Zentrum
Erste Beispiele für Behelfsunterkünfte im Substandard gibt es in Berlin bereits. Ein in der Presse häufig gelobtes und wenig kritisiertes Beispiel ist das von einem privaten Investor errichtete Containerdorf für Studierende am Plänterwald. (Mieterecho 372)
Je nach dem, was die Mieter*innen zahlen können, wo sie her kommen, womit sie ihr Geld verdienen. Diese Art Unterbringung statt Wohnraum zur Verfügung zu stellen, ist in anderen Ländern Europas bereits seit vielen Jahren und in vielen Facetten üblich. So werden in den Niederlanden bspw. auch schwierige Mieter*innen umgezogen:
Für Aufruhr in der internationalen Presse sorgte Ende 2012 der Beschluss der Amsterdamer Regierung, Einwohner/innen als Strafe für schlechtes Verhalten in Container an den Stadtrand umzusiedeln, wo sie von Polizei oder Sozialarbeiter/innen beobachtet werden. Wer seine Nachbar/innen einschüchtert, belästigt oder bedroht, läuft seither Gefahr, zur Strafe zwangsumgesiedelt zu werden. Im Mai 2014 gab es in sieben niederländischen Städten derartige Siedlungen. Weitere Städte planen, solche einzurichten. (Mieterecho 372)
Da passt es gut, dass die Immobilienbranche für Berlin Wohneigentum als so günstig zu haben wie noch nie anpreist – ganz im Stile „wer hat, der kann“. neues deutschland schreibt, dass niedrige Zinsen und hohe Mieten das Kaufen von Wohnraum attraktiv machen. Damit kommen wir zum eigentlichen Problem einer unmenschlichen Stadtentwicklung, wie bspw. in Berlin: Eigentumsbildung. Wer Geld hat, darf wohnen, wer nicht, wird untergebracht. Wer die Schikanen von Vermieter*innen nicht erträgt und die Jobcentererniedrigungen nicht still und bescheiden erduldet, wird gezwungen in die Unterbringung zu ziehen.
Die Möglichkeit sich als Mensch mit anderen Menschen in einem privaten Raum – der Wohnung – zu sozialisieren, wird durch die Segregation in den Innenstädten und die Architektur der Unterkünfte zerstört – der soziale Raum außerhalb der eigenen Wohnung durch Überwachung, Kontrolle und Privatisierung abgeschafft.