Die Städte sind segregiert. In der Regel leben die Menschen mit ökonomisch viel Kapital in dem einem Wohnquartier und Menschen mit wenig davon in einem anderen. Einen Austausch gibt es selten, die Abschottung wird ausgebaut. Die Segregierung schafft eine Homogenisierung der Wohnquartiere. In New York City gibt es nun ein neues Konzept dafür – vertikale statt horizontale Trennung, um den Wohnbedürfnissen der Reichen nachzukommen und um ein schönes Feigenblatt für soziales Wohnen an deren Fassade heften zu können.
Florian Rötzer schreibt auf telepolis über die Architektur der Klassentrennung:
In New York wurde nun symptomatisch eine neue Variante der alten Trennung der sozialen Schichten in einem Wohngebäude mit 33 Stockwerken eingeführt. Um mehr und höher als in dem Stadtviertel vorgesehen bauen zu können, also teurere Wohnungen anbieten zu können, bot der Immobilienkonzern Extell an, nach dem von der Stadt New York ermöglichten Programm des „inklusiven Wohnens“ 55 Wohnungen zur Verfügung zu stellen, die zu einem Preis gemietet werden können, der billiger als der durchschnittliche Mietpreis in New York ist. Dafür werden dann die Wohnungen im Luxussegment, die neben anderen Annehmlichkeiten einen geldwerten freien Blick bieten, mit einem Preis bis zu 25 Millionen US-Dollar verkauft. […] „Inklusives Wohnen“ gibt es auch in vielen anderen amerikanischen Städten, dabei ist nicht vorgeschrieben, dass die günstigeren Wohnungen im selben Gebäude sein müssen, sie müssen aber in der Nähe des Gebäudes mit den Luxuswohnungen sein, um die Gentrifizierung nicht zu verstärken. Aber bislang hat man sich Gentrifizierung eher horizontal vorgestellt, also als Homogenisierung von Straßenabschnitten oder Stadtvierteln. Wie das New Yorker Beispiel vorführt, geht es auch anders.
Für die ersten sechs Stockwerke gibt es eine „poor door„, eine eigene Adresse, ein eigenes Treppenhaus. Die Stockwerke darüber haben ihren Eingang von einer anderen Strasse her, bekommen ihre Adresse, einen Swimmingpool, können Fitnesseraum, Theater, Lift nutzen und werden von einer Concierge begrüßt. Eine Verbindung zwischen beiden Wohnformen gibt es selbstverständlich nicht. Das Feigenblatt hängt entsprechend auch nur an einer Seite des Hauses. Eine Wohnung hinter einer poor door in den begehrten und noblen Lagen erhält man durch den Gewinn in einer Lotterie. Der Protest gegen das Klassenwohnen und die soziale Apartheid hält sich in Grenzen:
Die Nachfrage ist ebenso groß wie der Mangel an erschwinglichen Wohnungen. Die Aufregung über die „Innovation“ der Klassentrennung oder sozialen Apartheid gab es schon länger. Jetzt will Bürgermeister Bill de Blasio weiteren „Armentüren“ einen Riegel vorschieben, aber natürlich ändert sich deswegen an den Verhältnissen nichts und vielleicht ist die Folge auch, dass in begehrten Lagen noch weniger erschwingliche Mietwohnungen gebaut werden.
Das Prinzip der unterschiedlichen Wohnungen in einem Block ist alt. Früher haben die Herrschaften unten und zur Strasse hin gewohnt. Die Dienstboten oben und mit eigenem Eingang. Die Armen im beengten dunklen Hinterhaus, in dass sie nur unter den Augen der Reichen kamen. Eine Verbindung zwischen den Hinterhäusern gab es nicht, die Armut sollte es schwerer haben, sich zu organisieren. Mit den Modernisierungsmöglichkeiten (Fahrstuhl) und Luxusinstallationen (Dachgärten mit Swimmingpool) für eine ausgewählte Bewohnerschaft und dem steigenden Bedürfnis nach einer möglichst großen räumlichen Trennung von Armut und armen Menschen wird das Prinzip einfach auf den Kopf gestellt. Die oben wohnten sind nun unten im Haus untergebracht, und anders herum. Inklusiv soll das sein, was doch nur Unterdrückung der Armen durch die Reichen ist. Also Augen auf, wenn im Wohnviertel hoch gebaut werden soll.