doppelbödige wirtschaftspolitik

TTIP, das europäisch-nordamerikanische Freihandelsabkommen, wird auf Regierungsebene leise verhandelt und in diesem Rahmen auch immer mal mit Protest von staatseuropäischer Seite versehen. Dieser wirkt wie ein Feigenblatt und es ist auch eines. Der Protest ist scheinheilg in anbetracht von EPA, dem Freihandelsabkommen zwischen europäischen und afrikanischen Staaten.

In der WOZ ist zu lesen:

In Afrika profitieren vom Abschluss der EPA vor allem etablierte Exportbranchen wie die Blumenindustrie. Pünktlich zu Weihnachten wurden die europäischen Strafzölle aufgehoben; seitdem werden kenianische Blumen wieder steuerfrei nach Europa geflogen. «Ein Stossseufzer der Erleichterung», freute sich der Branchenverband Kenya Flower Council.

Einige Betriebe haben sich aber bis heute nicht erholt, während anderen Branchen das Leid noch bevorsteht. Denn die EPA sehen vor, dass Kenia künftig nur noch ein Fünftel seiner im- und exportierten Waren kontrollieren darf. Für die restlichen achtzig Prozent gilt Warenverkehrsfreiheit – in beide Richtungen. «Wenn sich die EU entscheidet, besonders billige Produkte auf den kenianischen Markt zu werfen, hätte Kenia keine Möglichkeit mehr zu reagieren», warnt Francisco Marí, Handelsexperte bei Brot für die Welt in Berlin.

Beispiele gibt es genug, etwa das der europäischen Pouletteile, das Marí schon vor Jahren untersucht hat. Während in Europa vorwiegend Pouletbrust auf den Markt kommt, wird der Rest des Tieres zu Dumpingpreisen nach Westafrika exportiert. Weil die subventionierten EU-Poulets nicht einmal halb so teuer sind wie die lokalen, gingen etwa in Kamerun reihenweise KleinbäuerInnen pleite. Einige von ihnen hatten ihre Zuchten zuvor mit EU-Entwicklungshilfe aufgebaut. Kamerun wehrte sich mit Strafzöllen – eine Option, die ein Land unter den EPA nicht mehr hätte. (WOZ Nr. 26/2015 vom 25.06.2015)

Zölle sind für die lokale wirtschaftliche Entwicklung von Bedeutung. Sie verhindern die Einfuhr von besonders billigen Importwaren, die im Verkaufspreis lokale Produkte unterbieten. Ebenso verhält es sich mit Ausfuhrsteuern, die sicherstellen, dass die eigenen Rohstoffe im Land bleiben und von der eigenen Industrie verarbeitet werden können.

Wenn die einheimische Industrie erst einmal pleite gegangen sei, könnten ausländische Konzerne ihre Monopolposition ausnutzen und die Preise drücken. In Afrika passiere das immer wieder. (ebd.)

Hier ist also längst Praxis, was im TTIP noch diskutiert wird. In beiden Fällen interessiert freilich nur der eigene Standort und Wohlstand.

Über eine Alternative wird in von verschiedenen Vertretern afrikanischer Staaten nachgedacht, die quasi die Antwort auf gleicher Ebene wäre:

Dass sich die Afrikanische Union Anfang Juni auf die Bildung einer afrikanischen Freihandelszone geeinigt hat, die vom Kap bis Kairo reicht und in der 625 Millionen Menschen leben, gibt den SkeptikerInnen Aufwind. «Das wäre eine echte Alternative», glaubt auch Marí. «Zumal bei diesem Abkommen auch viele Nicht-EPA-Staaten dabei sind.» Sambia etwa, Äthiopien, Kongo-Kinshasa, der Tschad oder Sudan haben bislang Verhandlungen über die EPA verweigert – ohne Nachteile. Denn 43 der 53 afrikanischen Staaten gehören ohnehin zu den unterentwickeltsten und geniessen deshalb in Europa bereits die gleichen Zollprivilegien wie später die EPA-Staaten – ohne selber die Grenzen öffnen zu müssen. Angebliche Drohungen der EU, bei der Verweigerung der Ratifikation erneut Strafzölle zu erheben, würden vor allem die Wirtschaftslokomotiven Afrikas treffen – unter ihnen Staaten wie Ghana oder Kenia. Das von de Gucht beschworene «Streben» Afrikas würde auf diese Weise nicht unterstützt, sondern im Keim erstickt. (ebd.)

Das erinnert an die Bestrebungungen von Gaddafi (ehemaliger Libyscher Staatspräsident) einer afrikanischen Union mit einer Währung, einem Passport, einer Armee.

The „United States of Africa“ was mentioned first by Marcus Garvey in his poem Hail, United States of Africa[1] in 1924. Garvey’s ideas deeply influenced the birth of the Pan-Africanist movement which culminated in 1945 with the Fifth Pan-African Congress in Manchester, United Kingdom, attended by W. E. B. Du Bois, Patrice Lumumba, George Padmore, Jomo Kenyatta, Dudley Thompson, and Kwame Nkrumah.[2] Later, Nkrumah and Haile Selassie took the idea forward to form the 37 nation Organisation of African Unity, the precursor of the African Union.[9]

The idea of a multinational unifying African state was noted in the French publication Le Monde diplomatique as a successor to the medieval African empires: the Ethiopian Empire, the Ghana Empire, the Mali Empire, the Songhai Empire, the Benin Empire, the Kanem Empire, and other historic nation states. (wikipedia)

Es ist zu hoffen, dass die Bestrebungen einer von Europa unabhängigen Wirtschaftsform und -organisierung, wie die überlegte afrikanische Freihandelszone, nicht wieder mit militärischer Intervention von Außen beantwortet und zerschlagen werden.

One Response to “doppelbödige wirtschaftspolitik”

  1. Franziska Frielinghaus,

    Wie sich das ganz praktisch gestaltet, kann in einem Artikel auf telepolis ganz gut nachvollzogen werden:
    Ägypten und Deutschland: alternativloses „business as usual“?
    http://www.heise.de/tp/artikel/45/45287/1.html

    „Im Rahmen von Al-Sisis Besuch in Berlin, der von einer Delegation ägyptischer Geschäftsleute begleitet wurde, wurde auch ein Rekordauftrag für die Firma Siemens besiegelt. Siemens soll demnach drei Gaskraftwerke und zwölf Windparks in Ägypten errichten; geschätztes Volumen des Deals: 8-10 Milliarden. […] Mit deutschem Know-How sollen Gas- und Windkraftwerke errichtet werden, aber auch bestehende Gaskraftwerke auf den billigeren Brennstoff Kohle umgerüstet werden. Vor allem im Bereich der Solar- und Kraftwerkstechnologie sei auch in der Zukunft mit weiteren Aufträgen für deutsche Firmen zu rechnen, vermuten Wirtschaftsanalysten des Handelsblattes. […] Auch eine andere Sache unterscheidet sich heute nicht von damals: Die Anzahl der jungen Menschen, die in Ägypten jährlich auf den Arbeitsmarkt drängen, beträgt fast eine Million. Im Vergleich dazu: Nach aktuellen Schätzungen geht Siemens davon aus, im Rahmen der Errichtung von drei Gaskraftwerken und zwölf Windparks im Land, ungefähr 1.000 neue Ausbildungsplätze zu schaffen.
    Was ein Rekordauftrag für die Firmenbücher von Siemens und ein Imagegewinn für den Ex-General ist, bleibt ein Tropfen auf den heißen Stein für die zahlreichen jungen Menschen, die überqualifiziert in prekären Jobs arbeiten. „

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