Evolutionsbiologischer Beitrag zur Verhuetung der Tragedy of the Commons

Viele Probleme der menschlichen Gesellschaft, wie die Überfischung der Meere oder das globale Klimaproblem, sind Kooperationsprobleme. Wenn Personen, Gruppen oder Staaten frei sind, eine gemeinschaftlich bewirtschaftete Ressource übermäßig zu nutzen, dann tun sie das in der Regel auch. Dieses als „Tragedy of the Commons“ bekannte Problem wird von Sozial-, Politik- und Wirtschaftswissenschaftlern seit Jahrzehnten und neuerdings auch von Evolutionsbiologen intensiv untersucht. Doch außer der Möglichkeit, Nicht-Kooperationsbereite direkt zu bestrafen, hat man bisher noch keine kooperative Lösung der Tragedy of the Commons gefunden. Forscher des Plöner Max-Planck-Instituts für Limnologie konnten nun experimentell zeigen, dass ein Gemeinschaftsgut dann kooperativ bewirtschaftet wird und die „Tragedy of the Commons“ nicht mehr existiert, wenn die Art und Weise, wie das Gut genutzt wird, mit der Reputation des Nutzers verknüpft wird (nature, 24. Januar 2002). Gelingt das, wirft die Gemeinschaftsressource für alle Nutzer hohen Gewinn ab.

Mehr Details in der Pressemitteilung der MPG.

Neue Publikation: Bolivien

„Die Plünderung ist vorbei“. Boliviens Nationalisierung der Öl- und Gasindustrie von Thomas Fritz

Am 1. Mai 2006 machte die bolivianische Regierung international Schlagzeilen. Symbolträchtig verkündete Präsident Evo Morales die Nationalisierung der Öl- und Gasindustrie. „Die Plünderung der natürlichen Ressourcen ist vorbei“, rief er auf dem Gasfeld San Alberto im Süden Boliviens. Während auf den Maiveranstaltungen im ganzen Lande dieser Akt bejubelt wurde, gab sich die internationale Gemeinschaft besorgt. Die Demokratie sei in Gefahr, die Rechtssicherheit ohnehin, und das Land könne nur verlieren, so der Tenor. Die internationale Presse wiederum sorgte sich um die steigenden Energiepreise. Ihre bange Frage: Ist die Energieversorgung noch sicher, wenn in immer mehr Lieferländern der „Ressourcennationalismus“ um sich greift?

Über die Hintergründe, die zur bolivianischen Nationalisierung führten, gab es jedoch wenig zu erfahren. Weder wurde die Vorgeschichte noch die Reichweite dieses Schritts deutlich. Auch über die Hindernisse, die sich der neuen Regierung in den Weg legen mussten, war wenig zu lesen. Mit seiner neuen Veröffentlichung möchte das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) dazu beitragen, diese Lücke zu schließen.

Das FDCL-Hintergrundpapier schildert sowohl die sozialen Auseinandersetzungen, die zur Nationalisierung vom 1. Mai führten, als auch die aktuellen Widerstände, mit denen sich die Regierung konfrontiert sieht. Neben Analysen des Nationalisierungsdekrets und der verschiedenen Druckmittel der Petrofirmen bietet das Papier einen kritischen Blick auf die Schattenseiten der Öl- und Gasproduktion: die zunehmende Rohstoffabhängigkeit und die Zerstörung der Lebensgrundlagen lokaler Gemeinschaften. Mit der Nationalisierung stellt sich auch in Bolivien die Frage nach einem Entwicklungsmodell „jenseits von Öl und Gas“.

Mehr und Ihaltsverzeichnis beim Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika e.V. (FDCL)

Pressespiegel: Trubel in der Linken um Privatisierungspolitik

Tagesspiegel, 04.07.2006
Für PDS-Realos ist Lafontaine ein Problem. Staatsverständnis ist einer der Streitpunkte
Von Matthias Meisner
Berlin – In der PDS wächst die Sorge, dass Oskar Lafontaine in einer vereinigten Linken zu mächtig werde könnte. Mehrere prominente Landes- und Bundespolitiker verständigten sich unter der Überschrift „Abschied und Wiederkehr“ auf einen „Aufruf aus der PDS zur neuen Linkspartei“. Das Papier verzichtet zwar auf eine direkte Abrechnung mit dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion. In einer ganzen Reihe von Punkten gehen die Unterzeichner aber auf Abstand zu Positionen Lafontaines, die dieser vor wenigen Wochen im Gründungsmanifest für eine vereinigte Linkspartei durchgesetzt hatte. Unter dem Einfluss Lafontaines könnte die neue Linkspartei programmatisch zurückfallen, heißt es aus dem Kreis der Autoren. Streitpunkte sind unter anderem das Staatsverständnis der neuen Linken, aber auch die Haltung zu Regierungsbeteiligungen. Unterzeichner des Papiers sind unter anderem die Landesvorsitzenden aus Berlin, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Klaus Lederer, Thomas Nord und Matthias Höhn, daneben dem Reformflügel zuzurechnende Bundespolitiker wie Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, Vizeparteichefin Katina Schubert und der Berliner Fraktionsvorsitzende Stefan Liebich. Für die Klausurtagung der 53 Bundestagsabgeordneten, die am Montag in Rostock-Warnemünde begann, liefert das Papier Zündstoff. Lafontaine streitet für eine Verstaatlichung von Schlüsselindustrien, kämpft kategorisch gegen den Abbau des öffentlichen Dienstes. Die Autoren des PDS-Papiers, das dem Tagesspiegel vorliegt, werben dagegen für mehr Differenzierung, stellen die Bedeutung des Kompromisses in der politischen Auseinandersetzung heraus: Es reiche heute „nicht aus, nur auf den Staat, seine Gesetze und sein Geld zu schauen“. Das Versagen der Reformpolitik erkläre sich auch „aus dem fehlenden innovativen Unterbau in der Gesellschaft, aus der alleinigen Verantwortungszuweisung an den Staat“. Der Aufruf erinnert auch an die Erfahrungen der PDS in Parlamenten und Landesregierungen, ein „großer Vorteil“, den man hart erarbeitet habe.
Schon in der jüngsten Vergangenheit hatte es mehrere kritische Wortmeldungen gegeben. Sachsen-Anhalts PDS-Chef Höhn sowie der dortige Fraktionsvorsitzende Wulf Gallert – Mitunterzeichner auch des neuen Papiers – hatten in Lafontaines Gründungsmanifest „keine tragfähige Basis“ für eine Vereinigung erkannt. Die Gefahr des inhaltlichen Scheiterns sei „sehr real“, sagte Gallert dem „Neuen Deutschland“. Thomas Falkner, früherer Leiter der Strategieabteilung in der Parteizentrale, warnte, die Preisgabe der „alten PDS“ und die „Überforderung der WASG“ würden die „große historische Chance“ der neuen Linken zerstören. Zusammen mit der brandenburgischen Fraktionschefin Kerstin Kaiser kritisierte Falkner, die Linkspartei sei derzeit „faktisch nicht beziehungsweise nur unter großen internen Störungen“ regierungsfähig.

Junge Welt 08.07.2006, Titel, Seite 1
Privat zum Sozialismus
Rainer Balcerowiak
Geht es nach dem Willen von Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, dann wird sich die Linkspartei.PDS an einer von der WASG und anderen Gruppen geplanten bundesweiten Antiprivatisierungskampagne im Herbst nicht beteiligen. In einer jW vorliegenden Beschlußvorlage, die am Montag im Parteivorstand abgestimmt werden soll, heißt es klipp und klar: »Die Forderung ›keine Privatisierung‹ resp. ›Den Privatisierungswahn stoppen‹ ist in dieser Form nicht für eine politische Kampagne geeignet, weil zu unbestimmt und abstrakt.« Zudem kollidiere die geplante Kampagne mit den für diesen Zeitraum geplanten bundesweiten Aktionen für einen gesetzlichen Mindeslohn, die bis November durchgeführt werden sollen. Doch in dem Antrag von Bartsch wird deutlich, daß es keinesfalls um terminliche Mißhelligkeiten geht. In den zur Begründung formulierten »Thesen zum weiteren Umgang mit diesem Politikfeld« wird die bisher von der Bundespartei und auch der Bundestagsfraktion formulierte strikte Ablehnung von Privatisierungen im Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge in Frage gestellt: »Privatisierungsbestrebungen von Bund, Ländern und Kommunen haben (…) auch einen Ansatzpunkt im realen Zustand der öffentlichen Haushalte, der öffentlichen Einrichtungen und öffentlichen Unternehmen.« Statt einer undifferenzierten Antiprivatisierungshaltung müsse die Partei »Positiv- und Negativkriterien« für den Verkauf öffentlichen Eigentums entwickeln.
Dem Autor dürfte die Brisanz seines Vorstoßes klar sein. In der Partei und auch aus den Reihen der WASG gab es in den letzten Wochen und Monaten massive Kritik am Verhalten von Kommunal- und Landespolitikern der Linkspartei.PDS besonders in Dresden und Berlin. In der sächsischen Landeshauptstadt stimmte eine Mehrheit ihrer Fraktion dem Komplettverkauf der städtischen Wohnungen zu. In Berlin haben mitregierende Sozialisten unter anderem einer Gesetzesnovelle zur Renditegarantie für die privatisierten Wasserbetriebe zugestimmt, in der die Kalkulationsgrundlagen für vereinbarte Preiserhöhungen zum »Geschäftsgeheimnis« erklärt und somit der Kontrolle der Abgeordneten entzogen werden. Auch das Gesetz zur Sparkassenprivatisierung kommt aus dem Haus eines Linkspartei.PDS-Senators. Diese neoliberale politische Praxis hatte unter anderem Oskar Lafontaine intern und öffentlich scharf kritisiert, und auch die gemeinsame Linksfraktion im Bundestag hat sich in Erklärungen – zuletzt auf einer Fraktionsklausur in dieser Woche – mehrheitlich gegen weitere Privatisierungen ausgesprochen. Da will Bartsch offensichtlich gegensteuern. In der Linken und in seiner Partei sei »durchaus streitig, inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muß und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muß.« Kontroversen gebe es auch in der Frage »inwieweit die Antwort auf Markt und Profitdominanz zwingend öffentlicher Dienst, administrative Regulative und öffentliches Eigentum sein müssen«. Das Parteiprogramm der Linkspartei.PDS stelle »nicht eine bestimmte Eigentumsform in den Mittelpunkt«. Denkbar sei außer öffentlichem Eigentum auch »progressive Entstaatlichung« als »notwendiger Teil einer Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus«. Man darf gespannt sein, ob der Parteivorstand am Montag der Idee, mittels Privatisierungen zum Sozialismus zu kommen, mehrheitlich folgen wird.

Lnkszeitung.de, 09.07.2006
WASG plant bundesweite Kampagne gegen Privatisierung Gegen Verschleuderung öffentlichen Eigentums
Berlin (ppa). Felicitas Weck und Thomas Händel, geschäftsführende Bundesvorstandsmitglieder der WASG, haben jetzt ihre Absicht bekundet, gemeinsam mit Linkspartei, GlobalisierungskritikerInnen, Sozialverbänden und Gewerkschaften gegen die Privatisierung Front zu machen. „Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muss jetzt endlich Schluss gemacht werden“, so Weck und Händel am Sonntag. Die WASG habe bereits eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung beauftragt und lädt die Linkspartei zu einem Arbeitstreffen ein, Möglichkeiten, Anforderungen und Realisierung einer Kampagne „Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums“ in Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der Linkspartei.PDS und der WASG zu bestimmen und diese Kampagne im Rahmen des Parteibildungsprozesses zu führen. Erste Beratungen sollen noch im Juli stattfinden. In einem Brief an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS wird betont, dass der Kampf gegen Privatisierungen ein Kampf für die Schwächsten, für Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und damit ein zentrales Markenzeichen linker Politik weltweit ist. Mit dieser Kampagne könne ferner der Parteibildungsprozess weiter politisiert und über die Mitgliedschaften beider Parteien hinaus erweitert werden.
Die WASG hatte auf ihrem Bundesparteitag im April u.a. die Kampagne „Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums“ beschlossen. Ähnlich beschloss die Linkspartei.PDS auf ihrem zeitgleichen Bundesparteitag in Halle/S. eine Kampagne „Privatisierungswahn stoppen – Öffentliche Daseinsvorsorge erhalten“.

Tagesspiegel, 10.07.2006
Linkspartei zankt um Privatisierung
Berlin – Zum zweiten Mal binnen weniger Tage versucht der Reformerflügel der PDS, die Partei auf mehr Realitätssinn einzuschwören. In einer Vorlage für die Sitzung des Parteivorstands an diesem Montag in Berlin schlägt Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch vor, auf eine geforderte Kampagne gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums zu verzichten. In dazu von ihm vorgelegten Thesen wirbt er in der Debatte für ein undogmatisches Vorgehen. In der Linken selbst sei die Haltung zur Rolle öffentlichen Eigentums „nicht unumstritten, sondern differenziert“. Bartsch schreibt: „Streitig ist durchaus, inwieweit der Staat Leistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge selbst erbringen muss und inwieweit er ihre Erbringung gewährleisten muss.“
Indirekt geht Bartsch mit seinem Vorstoß auch auf Distanz zum Vorsitzenden der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine. Schon vor der Klausur der Bundestagsfraktion vergangene Woche in Rostock hatten führende Landespolitiker Lafontaines Staatsbegriff kritisiert. Im von Lafontaine durchgesetzten Gründungsmanifest für eine vereinigte Linkspartei heißt es, die Linke wolle „Schluss machen mit einer Politik, die das öffentliche Vermögen verkauft und damit die Bevölkerung enteignet“. Statt einer „neoliberalen Privatisierung“ wolle sie eine staatliche und kommunale Verantwortung für Bildung und Gesundheit, Wasser- und Energieversorgung, für Stadtentwicklung und Wohnungen, für öffentlichen Nah- und Fernverkehr sowie für wichtige Teile der Kultur. Bartsch hingegen argumentiert, auch eine „progressive Entstaatlichung“ könne notwendiger Teil einer „Transformationsstrategie zum demokratischen Sozialismus sein“.m.m.

Junge Welt, 10.07.2006
Abgeschrieben*: WASG will bundesweite Kampagne gegen Privatisierung starten
* Wir dokumentieren in Auszügen eine Medieninformation des Bundesvorstandes der WASG vom Sonntag: Der Bundesvorstand der WASG hat nachdrücklich seine Absicht bekräftigt, eine bundesweite Kampagne gegen Privatisierung zu starten. Felicitas Weck und Thomas Händel, geschäftsführende Bundesvorstandsmitglieder der WASG unterstrichen ihre Absicht gemeinsam mit Linkspartei, Globalisierungskritikern, Sozialverbänden und Gewerkschaften gegen die Privatisierung Front zu machen. »Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muß jetzt endlich Schluß gemacht werden«, so Weck und Händel am Sonntag.
Die WASG habe bereits eine Arbeitsgruppe mit der Vorbereitung beauftragt und lädt die Linkspartei zu einem Arbeitstreffen ein, Möglichkeiten, Anforderungen und Realisierung einer Kampagne »Für eine solidarische Gesellschaft – gegen die Privatisierung öffentlichen Eigentums« in Umsetzung der Parteitagsbeschlüsse der Linkspartei.PDS und der WASG zu bestimmen und diese Kampagne im Rahmen des Parteibildungsprozesses zu führen. Erste Beratungen sollen noch im Juli stattfinden. In einem Brief an den Parteivorstand der Linkspartei.PDS wird betont, daß der Kampf gegen Privatisierungen ein Kampf für die Schwächsten, für Demokratie, für soziale Gerechtigkeit und damit ein zentrales Markenzeichen linker Politik weltweit ist. Mit dieser Kampagne könne ferner der Parteibildungsprozess weiter politisiert und über die Mitgliedschaften beider Parteien hinaus erweitert werden. (…)

Neues Deutschland, 11.07.2006, URL: http://www.nd-online.de/artikel.asp?AID=93383&IDC=2
Linkspartei will mit Kampagne warten
WASG drängt auf Aktion gegen Privatisierung Von Tom Strohschneider
Zwischen Wahlalternative WASG und Linkspartei gibt es Unstimmigkeiten über Termin und Ausrichtung einer Kampagne gegen Privatisierungen. Der Vorstand der Linkspartei hat gestern bei einer Gegenstimme beschlossen, eine bundesweite Kampagne gegen Privatisierungen nicht vor Abschluss der Aktivitäten für einen Mindestlohn vorzubereiten. Mit dem Start entsprechender Aktivitäten ist demnach nicht vor 2007 zu rechnen. In einer von PDS-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch eingereichten Vorlage heißt es, »zwei Kampagnen gleichzeitig lassen sich nicht führen«. Außerdem seien die Forderungen »Keine Privatisierungen« bzw. »Den Privatisierungswahn stoppen« für eine politische Kampagne »zu unbestimmt und abstrakt«, also nicht geeignet. Der Vorstand möge stattdessen weiterhin regionale Aktivitäten und kommunale Kampagnen politisch und materiell unterstützen.
Darüber hinaus war in dem Papier darauf hingewiesen worden, dass »die Haltung zur Rolle öffentlichen Eigentums« auch in der Linken »nicht unumstritten« sei, etwa mit Blick auf Rolle und Aufgaben des Staates. Die »grundsätzliche Position« der Linkspartei bleibe davon aber unberührt. Der Parteivorstand müsse jedoch praxistaugliche Kriterien weiterentwickeln, so das Papier. Nach dessen Bekanntwerden hatte sich die WASG-Spitze am Wochenende in einem Brief an den PDS-Vorstand gewandt und nochmals die Notwendigkeit einer Anti-Privatisierungs-Kampagne bekräftigt. Die WASG strebt einen Kampagnen-Start im November an. Der Bundesvorstand hatte bereits Anfang Juli eine Arbeitsgruppe gebildet, die die Aktion »Für eine solidarische Gesellschaft – gegen Privatisierung öffentlichen Eigentums« vorbereiten soll. Erste gemeinsame Beratungen, so das Angebot an die Sozialisten, könnten am 15. Juli stattfinden. Die Linkspartei-Spitze gab gestern grünes Licht für die Teilnahme an diesem Gespräch, sieht aber noch weiteren Klärungsbedarf.
In der WASG-Spitze zeigte man sich gestern irritiert – nicht zuletzt, weil es in der Vorlage Bartschs heißt, Initiativen für eine Kampagne seitens des WASG seien der Linkspartei nicht bekannt. Zum Zeitpunkt, zu dem die Beschlussvorlage des PDS-Geschäftsführers verfasst wurde, hatte die WASG-Spitze ihre Arbeitsgruppe zwar noch nicht gebildet. Jedoch hätte man dies, so die Kritik, jederzeit – etwa während der Fraktionsklausur in der letzten Woche – in Erfahrung bringen können.

Junge Welt, 11.07.2006, URL: http://www.jungewelt.de/2006/07-11/038.php
Basis watscht Bartsch ab
Jörn Boewe
Dietmar Bartsch fand es gar nicht witzig. Eigentlich hatte der Geschäftsführer der Linkspartei.PDS gehofft, der Vorstand würde am Montag seinen Antrag, eine geplante Antiprivatisierungskampagne fallenzulassen, ohne viel Aufsehen durchwinken. Aber nach den zahlreichen wütenden Protestmails und Anrufen vom Wochenende war ihm schon klar, daß das schwierig werden würde.
Die Kampagne findet doch statt, aber nicht vor 2007. Auf diese salomonische Lösung verständigte sich der Parteivorstand am Montag nachmittag. Zur Vorbereitung wird ein gemeinsamer Arbeitskreis mit der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) gebildet, an dem für die Linkspartei die Vorstandsmitglieder Sahra Wagenknecht und Harald Werner beteiligt sein werden. Auf ihrem Bundesparteitag Ende April in Halle hatte die Linkspartei beschlossen, gemeinsam mit der WASG im Herbst eine »Kampagne zum Stopp des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums und zur Zurücknahme der unsozialen Privatisierungspolitik im Bereich der Daseinsvorsorge« zu führen. Doch die Gegenoffensive des Apparats ließ nicht lange auf sich warten. Wie jW am Sonnabend berichtete, hatte Linkspartei-Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch in einem Antrag an den Parteivorstand gefordert, von dem Vorhaben Abstand zu nehmen. Vordergründig argumentierte er, man könne neben der bereits laufenden Aktion zum Thema Mindestlohn keine zweite Kampagne führen. Wenn die im November beendet sei, stünde der Parteibildungsprozeß auf der Agenda und nicht eine neue Kampagne. In den Thesen, mit denen Bartsch seinen Antrag untermauerte, wird indes deutlich, daß es um mehr geht, nämlich um eine ideologische Rechtfertigung der Privatsierungspolitik, die Linksparteifunktionäre nicht nur in den Landesregierungen von Berlin und Mecklenburg-Vorpommern, sondern auch in zahlreichen Kommunen betreiben. Nahegelegt wird, daß Privatisierung ein Weg zur »Verbesserung der Finanzausstattung der Kommunen« sei. Unstrittig sei lediglich, daß die Linke Privatisierung »nicht aktiv« initiieren und vorantreiben solle. Während die Linksparteiführung das leidige Problem erstmal in einen Arbeitskreis verschoben hat, hält die Schwesterpartei WASG das Thema nach wie vor für zentral. »Mit der Verschleuderung öffentlichen Eigentums zur kurzfristigen Etatsanierung muß jetzt endlich Schluß gemacht werden«, hatten die WASG-Bundesvorstandsmitglieder Felicitas Weck und Thomas Händel in einer am Sonntag verbreiteten Erklärung gefordert. In einem Brief an den Linksparteivorstand hatte die WASG Ende letzter Woche vorgeschlagen, noch im Juli mit Arbeitstreffen zur Vorbereitung der Kampagne zu beginnen. »Privatisierung der Daseinsvorsorge greift in wesentliche demokratische Rechte ein«, bekräftigte Felicitas Weck die WASG-Position gestern gegenüber jW, »Wir können uns nicht immer stärker von Konzernen unter Druck setzen lassen.«

Frankurt am Main: Mieterverein streitet mit US-Investoren

Fortress-Konzern will Mieten seiner Frankfurter Wohnungen deutlich erhöhen / So genannte Sozial-Charta sorgt für Unklarheiten.
Der US-Konzern Fortress besitzt außer in Dresden auch Wohnungen in der Rhein-Main-Region – 2000 allein in der Frankfurter Innenstadt. Möglich wurde dies durch die Privatisierung öffentlichen Wohnraums. Jetzt erleben die Mieter eine Überraschung.

Wer nach der Wortbedeutung geht, muss annehmen, eine Sozial-Charta sei eine Art rechtliche Urkunde, die der Gemeinschaft dient. Doch wenn es um Privatisierung öffentlichen Wohnraums geht, liegt der Fall etwas anders: Besagte Gemeinschaft sind die Mieter einer Siedlung in der Frankfurter Innenstadt, zwischen Fahrgasse und Konstablerwache, deren Wohnungen der Gagfah (Gemeinnützige Aktien-Gesellschaft für Angestellten-Heimstätten) gehören. Vor rund zwei Jahren verkauft die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte ihre Gagfah-Mehrheitsbeteiligung an den US-Finanzinvestor Fortress, der somit zum Gagfah-Hauptgesellschafter wird. Nach wie vor ist jedoch die Gagfah in der Rolle des Vermieters. Am 30. September 2004 tritt die „Gagfah-Sozial-Charta“ in Kraft. Sie gilt für alle Mieter, die zu diesem Zeitpunkt in einer Gagfah-eigenen Wohnung leben. In dieser Charta sind neben Kündigungsschutz und Vorkaufsrechten auch „Mieterhöhungsbegrenzungen“ geregelt. In der „vereinfachten“ Version heißt es: „Der gesetzliche Mieterhöhungsspielraum wird für die Mietverhältnisse, die bereits zum 30.9.2004 in Bezug auf Wohnungen der Gagfah bestanden haben, für insgesamt 10 Jahre eingeschränkt. Mieterhöhungen werden im Gesamtdurchschnitt bis zum 30.9.2009 begrenzt auf die jährliche Veränderungen des Verbraucherpreisindexes zuzüglich 1,5 Prozentpunkte).“
Nur in den ausführlichen Charta-Bestimmungen steht der Passus: „Diese Regelung bezieht sich auf den Gesamtdurchschnitt der Mieten, die aufgrund der am 30.9.2004 bestehenden Mietverhältnisse zu zahlen sind. Es ist deshalb möglich, dass in Bezug auf einzelne Wohnungen die Miete stärker erhöht wird.“

Gagfah fordert Mieterhöhungen
Im Oktober 2005 verschickt die Gagfah Mieterhöhungsschreiben an jene Gemeinschaft, darunter die Eheleute S., die seit 1984 in der Siedlung wohnen. Für ihre 80-Quadratmeter-Wohnung in der Fahrgasse zahlen sie bis dato 444 Euro Kaltmiete. Die Gagfah fordert eine Erhöhung um 33,70 Euro – eine Steigerung von 7,59 Prozent, und bezieht sich auf „den derzeit geltenden Mietspiegel“. Den Eheleuten S. erscheint diese Miete als zu hoch und im Widerspruch zu der Sozial-Charta. Sie wenden sich, so wie einige andere Gagfah-Mieter, an den Frankfurter Verein „Mieter helfen Mietern“. Dieser schickt Ende 2005 einen „Widerspruch gegen die Mieterhöhung“ an die Gagfah, verweist auf die Sozial-Charta und gibt an, die Eheleute S. seien mit einer dem entsprechenden Mieterhöhung um 13,88 Euro – rund drei Prozent, berechnet aus Veränderungen des Verbraucherpreisindex‘ plus 1,5 Prozentpunkte – einverstanden. >br>
Jürgen Lutz, Vorstandsmitglied und Berater von „Mieter helfen Mietern“, erläutert: Durch die von der Gagfah geforderten Mieterhöhungen „verlöre die Charta ihre Funktion als Vertrag zu Gunsten Dritter, durch den die Mieter vor deutlichen Mieterhöhungen geschützt sein sollten“. Ein solcher Vertrag berechtigt einen Dritten, in diesem Fall den Mieter, eine vertraglich vereinbarte Leistung – auch per Rechtsweg – zu fordern.
Der Verein führt außerdem an, die Mieterhöhungsschreiben enthielten „keine Darlegung, wie hoch im Bundesdurchschnitt die Gagfah-Mieten in 2005 bereits erhöht worden waren bzw. welche Berechnungen vorliegen, mit denen der Durchschnitt überwacht wird“. Der Verein fordert Einsicht in die Mieterhöhungsbilanzen der Gagfah, Angabe des durchschnittlichen Mieterhöhungs-Prozentsatzes sowie „Mitteilung der Gründe“, die die Gagfah „dazu bewogen haben“, Mieten in der Innenstadt-Siedlung anzuheben. „Erst vor einem Jahr“ war dort die Miete „wegen einer baulichen Sanierungsmaßnahme erhöht worden“.
Im Gespräch erläutert Gagfah-Pressesprecher Peter Kummer gegenüber der FR: „Die Mieterhöhungen bewegen sich sowohl innerhalb des Rahmens der gesetzlichen Vorgaben als auch der Sozial-Charta. Der darin erwähnte ,Gesamtdurchschnitt‘ ergibt sich aus der Summe der Kaltmieten aller Wohnungen, die unter die Charta fallen, sei es in Hamburg, Berlin oder Frankfurt.“ Ob in die Berechnung Faktoren wie Qualität des Wohnumfelds, Wohnungsausstattung oder Infrastruktur mit einfließen, bleibt unklar.

Verein erhält kein „Prüfungsrecht“
In einem Schreiben, das der FR vorliegt, antwortet die Gagfah dem Mieter-Verein, es bestünden für ihn „keine weiteren Prüfungsrechte und schon gar keine Berechtigung, die Zustimmung zur begründeten Mieterhöhung unter Hinweis auf die Sozialcharta zu verweigern“. Weiter heißt es: „Bei dieser gegenüber den Mietern freiwilligen Beschränkung mietrechtlicher Möglichkeiten handelt es sich gerade nicht um eine vertragliche Vereinbarung, auch nicht um einen echten Vertrag zu Gunsten Dritter, der mit einem eigenen Anspruchsrecht des begünstigten Mieters verbunden wäre. Auf die Einhaltung der freiwilligen Mieterhöhungsbeschränkung werden Sie sich verlassen können und müssen.“
Die Eheleute S. zahlen zurzeit 457,88 Euro Kaltmiete, exakt den Betrag, den sie und der Mieter-Verein für angemessen halten. Die Gagfah hat ihnen eine Frist bis 17. März 2006 gewährt, ansonsten müssten sie damit rechnen, dass die Gagfah „auf Erteilung der Zustimmung“ zur Mieterhöhung klage.
Ist eine Sozial-Charta nun eine rechtlich bindende Vereinbarung oder eine freiwillige Selbstverpflichtung, aus der „Dritte“ jedoch keine Rechte ableiten können? Gagfah-Sprecher Peter Kummer lässt Spielraum für Interpretationen: „Der Kündigungsschutz für langjährige Gagfah-Mieter ist in die Mietverträge mit aufgenommen worden“, aber „natürlich“ seien alle anderen Charta-Punkte „ebenso bindend“.

Tanja Kokoska, Frankfurter Rundschau, 16.05.2006

Veranstaltung am 9.5.06 in Berlin

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, der Umweltbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz und das Gen-ethische Netzwerk laden ein:
Gentech-Anbau in Brandenburg – Was droht? Erfahrungen aus Kanada – aktuelle Situation in Brandenburg
mit Percy Schmeiser (kanadischer Landwirt, in englischer Sprache mit Übersetzung) und Nora Mannhardt (Aktionsbündnis gentechnikfreies Berlin/Brandenburg)
am Dienstag, 9.5.2006 um 19:00 Uhr
im „Umweltforum Berlin“ (Alte Mälzerei)
10249 Berlin-Mitte, Friedensstrasse 91. ( http://www.umweltforum-berlin.de )

Percy Schmeiser spricht in Englisch, die Veranstaltung wird übersetzt.

Aus dem Einladungstext

Brandenburg ist in Deutschland das Land, in dem die transgenen Saaten ausgebracht werden. Für dieses Jahr sind etwa 800 Hektar (Deutschland ca. 1.700 ha) angemeldet. Die Situation in Brandenburg wird Nora Mannhardt vom Aktionsbündnis gentechnikfreies Berlin und Brandenburg darstellen. Was sind möglicher Gründe, wie organisiert sich der Widerstand?

Die Koexistenz konventioneller, ökologischer und gentechnisch veränderter Nutzpflanzen ist nicht möglich. Dies zeigen die Erfahrungen mit Kontaminationen in Kanada. Dort wird es vermutlich niemals mehr möglich sein, gentechnikfrei zu produzieren. Einige der dortigen Landwirte hat dies schon an den Rand des Ruins getrieben.

Percy Schmeiser, kanadischer Rapsbauer, berichtet über 10 Jahre Gentech-Anbau in Kanada und zeigt die Praktiken der Gentechnik-Konzerne auf. Schmeisser hatte den Gentechnik-Konzern Monsanto wegen Kontamination seiner Felder verklagt. Weil die kanadische Regierung und die Justiz voll auf der Seite der Gentechnik-Konzerne stehen, wurde in seinem und in vielen anderen Fällen gegen geltendes Recht und zugunsten der Industrie entschieden.

Der Fall verdeutlicht auch die Zusammenhänge zwischen Koexistenz, Kontamination und den so genannten Schutzrechten an geistigem Eigentum, das heißt der Patentierung – das heißt der Privatisierung von Saatgut.

Kanadische Farmer bringen Gentechnik vor UN-Menschenrechtsausschuss: Nun erhebt der kanadische Farmer Percy Schmeiser vor dem UN-Ausschuss für Menschenrechte in Genf Klage gegen die kanadische Regierung wegen Menschenrechtsverletzungen durch die Gentechnik in der kanadischen Landwirtschaft und Nahrungsmittelproduktion (Stichtag 1. Mai 2006).

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*In Kanada ist der Zug gentechnikfreier Produktion bereits abgefahren – aber bei uns ist es noch nicht zu spät!*
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Hier ein Interview mit Percy Schmeiser aus der Mitgliederzeitschrift Umweltnachrichten (Dez. 2005) des Umweltinstitutes München. Das Interview führte Andreas Bauer.

Interview mit Landwirt Percy Schmeiser: „Eine ökonomische Katastrophe”

Im August 1998 verklagte der Gentechnik-Konzern Monsanto den kanadischen Bauer Percy Schmeiser, gentechnisch verändertes patentiertes Raps-Saatgut widerrechtlich angebaut zu haben: Schmeisers konventionelle und die Bio-Felder seiner Frau waren von genverändertem Saatgut verunreinigt. Zwei Gerichte verurteilten ihn zu einem Schadensersatz in Höhe von 100.000 Euro. Erst das oberste kanadische Bundesgericht stoppte den Konzern im Jahr 2004: Schmeiser wurde von Schadensersatzforderungen an den Konzern freigesprochen. Doch gleichzeitig befand das Gericht, dass Monsanto grundsätzlich im Recht sei und die Patentansprüche des Konzerns auch für kontaminierte Äcker gälten. 2005 hat Percy Schmeiser Gegenklage gegen Monsanto eingereicht, wegen Umweltverschmutzung und Zerstörung von Schmeisers gentechnikfreier Saatgutzüchtung.

Umweltinstitut München e.V. (UIM): Mr. Schmeiser, wie sind Ihre derzeitigen Beziehungen zu Monsanto?
Schmeiser: Ziemlich angespannt. Monsanto versuchte während der letzten Jahre, mich als Person zu diskreditieren, sowohl in den Medien als auch in meiner persönlichen Umgebung. Und das macht Monsanto nach wie vor. Zum anderen versuchen sie jetzt, mich mit Hilfe einer Knebel-Anordnung, der so genannten „Gag-Order“, ruhig zu stellen. Das ist eine Art gerichtlich verhängtes Redeverbot. Dadurch wäre mir das Recht genommen, über Monsanto zu sprechen. Dabei ist das einzige, was ich tue, darüber zu berichten, dass Monsanto mein gesamtes Ackerland kontaminiert hat.

UIM: Dagegen haben Sie jetzt Klage eingereicht.
Schmeiser: Ja, aber leider agiert Monsanto jetzt bösartiger als je zuvor. Der Grund ist meiner Meinung nach, dass der Konzern allein im letzten Quartal 125 Millionen US-Dollar Verlust gemacht hat. Und zwar ausschließlich deshalb, weil es sich, wie ein Journalist geschrieben hat, um eines der meistgehassten Unternehmen der Welt handelt, ein Unternehmen, das zentral an der Eliminierung der Rechte der Bäuerinnen und Bauern, und der Redefreiheit auf der ganzen Welt beteiligt ist. Letztes Jahr wurde Monsanto für die Dauer von zwei Jahren die Geschäftsausübung in Indonesien verboten, weil der Konzern für eine schnelle Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen die Behörden bestochen hatte. Auch in anderen Ländern gab es Korruption im Zusammenhang mit der Vermarktung von Monsantos Gen-Pflanzen.

UIM: Weswegen genau klagen Sie Monsanto an?
Schmeiser: Die erste Klage bezieht sich auf die Haftung für die Verunreinigung meiner Felder mit Genraps in den Jahren 1997 und 1998. Ich fordere Schadensersatz für die Zerstörung meines selbstentwickelten Raps-Saatguts, in dem 50 Jahre Forschung und Entwicklung stecken.
Vor zwei Monaten stellte ich zudem eine erneute Kontamination meiner Felder fest. Ich versuchte, Monsanto dazu zu bewegen, die Genrapspflanzen von meinem Feld zu entfernen. Monsanto war dazu nur unter der Bedingung bereit, dass ich einen so genannten „Release“ -Vertrag unterzeichne. Damit hätte ich allerdings für alle Zeiten Grundrechte, wie das auf freie Meinungsäußerung, an Monsanto verkauft. Der Vertrag hätte besagt, dass ich Monsanto nie wieder verklagen darf. Zweitens hätte ich auch alle bereits eingereichten Klagen gegen Monsanto zurückziehen müssen. Drittens hätte ich Zeit meines Lebens mit keinem Menschen mehr über Monsanto sprechen dürfen.
Zusätzlich hätte mir der Vertrag verboten, Raps und verwandte Arten, also zum Beispiel Senf, anzubauen. Denn Monsanto weiß, dass es dadurch erneut zu Kontaminationen meiner Felder durch gentechnisch veränderte Rapspollen kommen würde, der auch in verwandte Arten, wie eben Senf, auskreuzen kann. Kurzum, ich hätte sämtliche demokratische Rechte an der Eingangstür von Monsanto abgegeben. Ich bin Besitzer des Landes, ich zahle Steuern dafür, und alle Rechte dafür sollen an Monsanto gehen?
Wenn ich nach St. Louis, zur Konzernzentrale von Monsanto, fahren würde, um ihre Freilandversuche zu kontaminieren, und danach die Rechte auf diese Pflanzen reklamieren würde, hätte ich nach spätestens 24 Stunden ein Verfahren am Hals, das damit enden würde, dass man mich bis ans Ende meiner Tage einsperren würde.
Das Problem ist nach wie vor, dass die Menschen nicht darüber informiert sind, was passiert. In Kanada kann aufgrund der gentechnischen Verunreinigungen keine biologische Soja und kein biologischer Raps mehr angebaut werden. Das Grundrecht der Wahlfreiheit der Bauern ist zerstört.

UIM: Welche ökonomischen Auswirkungen hat der Anbau von Genpflanzen in Kanada?
Schmeiser: Der Anbau ist eine ökonomische Katastrophe. Viele Länder kaufen keine kanadischen Produkte mehr, die in irgendeinem Zusammenhang mit Raps oder Soja stehen könnten. Das betrifft neben den Bauern natürlich auch die nachgelagerten Industrien, also die Lebensmittelverarbeitung. Darüber hinaus kommt es zu einer Art Dominoeffekt: Auch die Nachfrage nach anderem Getreide aus Kanada ist zurückgegangen. Ganz konkret passiert folgendes: Die Rapserträge der kanadischen Bauern sind zurückgegangen, die Erträge sind von geringerer Qualität, für die Produktion müssen mehr Pestizide eingesetzt werden und das Einkommen der Bauern ist stark zurückgegangen. Durch die flächendeckende Kontamination ist auch die Wahlfreiheit der Bauern verloren.

UIM: Wie sieht es mit der sozialen Struktur in den ländlichen Gebieten aus? Hat sich auch diese durch den Anbau von GVO verändert?
Schmeiser: Auch das soziale Gefüge ist entgleist. Durch die Lizenzverträge mit Monsanto verlieren die Bauern das Grundrecht auf Redefreiheit. Die gesetzliche Lage verstärkt ihre Rechtlosigkeit noch zusätzlich. Sie müssen sehen, dass ein Bauer in Kanada in dem Moment schuldig gesprochen werden kann, wenn Monsantos Genraps auf seinem Feld gefunden wird. In meinem Fall hat das Gericht geurteilt, dass ein Bauer verpflichtet ist zu wissen, ob seine Ernte, sein Saatgut, oder sein Land mit Monsantos Genpflanzen kontaminiert ist. Wenn er nicht gentechnisch verändertes Saatgut aus einem Teil seiner Ernte anbaut, das mit Monsantos Genraps verunreinigt ist, verletzt er damit automatisch Monsantos Patent und kann von dem Konzern verklagt werden. Der einzige Ausweg besteht darin, gleich Monsantos Raps anzubauen. Denn in dem Moment, in dem sich Monsantos Gene auf seinem Feld befinden, kann Monsanto ihn dazu zwingen, seine gesamte Ernte zu vernichten. Wie soll ein Bauer wissen, ob sich Monsantos Raps auf seinem Feld befindet? Die einzige Möglichkeit, die er hat, ist sein Feld mit Roundup zu spritzen: Wenn 98 Prozent seiner Pflanzen sterben, und zwei Prozent überleben, weiß der Bauer, dass zwei von 100 Pflanzen kontaminiert sind. Doch es gibt keinerlei Toleranz. Selbst eine einzige Pflanze würde genügen, um alle Rechte an Monsanto zu verlieren. Das Gericht sprach im Urteil meines Falls davon, dass die „bloße Anwesenheit“ von Monsantos patentierten Genpflanzen auf meinem Acker ausreichen würde, um Monsantos Ansprüche zu rechtfertigen. Der oberste kanadische Gerichtshof urteilte auch, dass es bedeutungslos sei, wie es zu der Verunreinigung der Felder kommt.

UIM: Hat sich auch das Verhältnis der Landwirte untereinander verändert?
Schmeiser: Natürlich. Es ist ein starkes Misstrauen gegeneinander entstanden. Der Grund ist, dass Monsanto Bauern oder andere Leute dafür belohnt, wenn sie z.B. einen Nachbarn anzeigen. Zudem besitzt Monsanto eigene „Polizei“-Kräfte, welche die Menschen auf dem Land aushorchen. Ich erzähle ihnen ein Beispiel aus meinem Dorf: An Tankstellen in Kanada werden auch Pestizide verkauft. Monsantos Leute gingen also zu einer Tankstelle in meinem Dorf und sagten dem Besitzer: „Sprich mit den Bauern, frag sie ob sie Raps gepflanzt haben. Falls sie Raps anbauen, frag sie, wie viele Hektar. Dann gib uns diese Informationen weiter.“ Im Gegenzug bekam der Tankstellenbesitzer gute Konditionen und Rabatte beim Einkauf der Pestizide von Monsanto. Das ist ein Weg, wie Monsanto an Informationen kommt. Seit diese Geschichte bei mir im Dorf herauskam, tanke ich natürlich woanders.

UIM: Können Sie noch von weiteren Fällen berichten?
Schmeiser: Es gibt viele bekannte Fälle. Einem befreundeten Geschäftsmann, der auch Bauer ist, passierte folgendes: Er baute 200 acre (80 ha) von Monsantos Genraps an und schloss mit dem Unternehmen einen so genannten Technologie-Vertrag über diese Fläche ab. Dieser sieht vor, dass ein Bauer pro acre 15 kanadische Dollar Patentgebühren an Monsanto zahlen muss. Bei seiner Versicherung waren die entsprechenden Flächen jedoch mit 208 acre veranschlagt. Monsantos Spitzel müssen auf irgendeine Weise Zugang zu diesen Unterlagen bekommen haben. Es fehlten also acht acre, und laut dem Technologie-Vertrag hatte er damit eine Lizenzgebühr von 15 Dollar pro acre unterschlagen, was einem „Gesamtschaden“ von 120 Dollar entspricht. Monsanto wollte jedoch eine Strafgebühr von 200 Dollar pro acre kassieren, die mein Bekannter natürlich nicht zahlen konnte. Monsanto verlangte nun für einen Verzicht auf ein Strafverfahren, dass mein Bekannter ebenfalls Spitzeldienste übernehmen sollte und Nachbarn melden, die von Kontaminationen wussten, diese aber aus Angst vor den finanziellen Forderungen Monsantos nicht melden wollten. Er ist darauf eingegangen, hat aber nie jemanden gemeldet.
Ich erzähle Ihnen noch von einem dritten Fall: Wenn Sie in Kanada Getreide verkaufen, müssen Sie Aufzeichnungen darüber in einem Buch dokumentieren. Dieses Buch ist Privatbesitz des Bauern. Da diese Aufzeichnungen von großer Wichtigkeit sind, hinterlegen es viele Bauern im Safe des örtlichen Getreidehändlers. Monsanto lädt nun diese Getreidehändler zu Wochendausflügen oder zum Essen ein und kommt so schließ-lich in den Besitz der Aufzeichnungen. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, was diese Vorfälle mit dem sozialen Netz auf dem Land anrichten.

UIM: Der Presse kann man entnehmen, dass sich kanadische Bauern, vor allem Biobauern inzwischen wehren. Sie haben Genkonzerne wie Monsanto und Bayer verklagt. Wie beurteilen Sie die Aussichten, dass die Konzerne schuldig gesprochen werden?
Schmeiser: Die Vereinigung der Biobauern aus Saskatchewan (das Saskatchewan Organic Directorate) hat Monsanto und Bayer wegen der Kontaminationen auf Schadensersatz verklagt. Die Klage bezieht sich auf die Haftung für entstandene ökonomische Schäden, vor allem den Verlust von Exportmöglichkeiten, da kein biologischer Raps mehr angebaut werden kann. In erster Instanz haben die Bauern den Prozess verloren. Im Moment droht er bereits an der Frage zu scheitern, ob die Bio-Bauern als Vereinigung überhaupt das Recht haben, diese Klage einzureichen. Monsanto versucht den Prozess zu verschleppen. Schon jetzt hat er die Bio-Bauern 300.000 Dollar gekostet. Allein für die Frage nach der Zulässigkeit der Klage sind drei Jahre ins Land gegangen.

UIM: Welche Rolle spielt eigentlich die kanadische Regierung?
Schmeiser: Die kanadische Regierung unterstützt die Gentechnikindustrie bedingungslos. Monsanto arbeitet mit den zuständigen Behörden, z.B. der Lebensmittel- oder der Umweltbehörde, Hand in Hand. Ein Beispiel vom April 2004 mag Ihnen zeigen, wie eng die Verbindung ist. Monsanto stand damals kurz vor der Zulassung von gentechnisch verändertem Weizen. Dann kam heraus, dass die Regierung mit Monsanto ein Abkommen geschlossen hatte: In dem Vertrag stand, dass die Regierung für jedes Kilo Genweizen einen bestimmten Prozentsatz des Gewinns erhalten sollte.
Derzeit stehen wir in Kanada auch vor einer Überarbeitung der Saatgut-Gesetzgebung, dem Seed Sector Review. Die Vorschläge der Gentechnikindustrie für dieses Gesetz wurden bislang nur noch nicht umgesetzt, weil Wahlen bevorstanden. Mit diesem Gesetz würde die Saatgutindustrie die totale Kontrolle über die Landwirtschaft übernehmen. Denn der zentrale Punkt des Gesetzes ist, dass es den Nachbau von gekauftem Saatgut schlichtweg verbietet. Dieser Passus bezieht sich nicht nur auf Getreide, sondern auch auf Gartenblumen oder Bäume. Damit würden nicht nur Bauern, sondern auch Gärtner und Forstwirte total entrechtet. Die Industrie versucht, dieses Gesetz ohne öffentliches Aufsehen durchzubekommen. Die Situation ist sehr ernst.
Und dennoch: Seit einigen Jahren stockt die Zulassung neuer Gentechnikpflanzen. Bis heute gibt es nur sehr wenige kommerzialisierte Arten, vor allem Raps, Mais, Soja und Baumwolle. Was die Einführung weiterer GVO verhindert hat, war nicht die Umweltproblematik und nicht die gesundheitlichen Effekte, sondern der grandiose ökonomische Misserfolg. Die Bauern merken langsam, dass sie betrogen wurden.

UIM: Warum wächst die Anbaufläche in Kanada dann nach wie vor? Warum bauen die Bauern überhaupt noch gentechnisch verändertes Saatgut an?
Schmeiser: Viele haben Angst. Sie wissen, dass sie von Monsanto jederzeit verklagt werden können, denn ihre Felder sind genauso kontaminiert wie meine. Der einzige Ausweg sich vor Klagen zu schützen ist gleich Monsantos Genpflanzen anzubauen.

Das Interview führte unser Mitarbeiter Andreas Bauer.
Erschienen in unserer Mitgliederzeitschrift Umweltnachrichten, Ausgabe 102 / Dez. 2005

„Was damit geschaffen wird, ist eine Kultur der Angst“
Am 28. Oktober 2005 hielt Percy Schmeiser in Zürich den Vortrag, denn Sie hier ( http://www.umweltinstitut.org/download/vortrag_schmeiser_zuerich_okt2005.pdf ) als PDF-Datei herunterladen können.

Technologievertrag in Originalfassung und übersetzt als PDF-Datei zum Herunterladen ( http://www.umweltinstitut.org/download/technologievertrag_monsanto.pdf )

Deutsche Bank Research praesentiert "Privatisierungsoptionen fuer das deutsche Autobahnnetz"

DBResearch schreibt in der Presseankündigung für ihr Papier: „Die geographische Lage Deutschlands im Herzen Europas bietet zahlreiche Chancen für auch zukünftiges wirtschaftliches Wachstum. Die gestiegene Bedeutung von Logistik und Verkehr für das Bruttoinlandsprodukt sind hierfür klare Zeichen. Jedoch wird nicht im gleichen Maße, wie das Verkehrsaufkommen steigt, in den Ausbau der Infrastruktur investiert – im Gegenteil: die Straßeninfrastruktur wird seit Jahren auf Verschleiß gefahren. Eine stärkere zweckgebundene Nutzerfinanzierung und die Einbindung privatwirtschaftlichen Know-hows bei Finanzierung und Betrieb der Straßeninfrastruktur ist mehr als angezeigt.“

Berliner SPD positioniert sich gegen Wohnungsprivatisierungen

Nicht nur in der Linkspartei sondern auch in der SPD gibt es eine Auseinandersetzung um die Privatisierung von kommunalen Wohnungen. Auf dem Parteitag der Berliner SPD stellte die Parteilinke einen Antrag gegen weitere Wohnungsverkäufe an „international agierende Finanzinvestoren“. Dem Antrag wurde zugestimmt.
Ob die SPD SenatorInnen diesen Beschluss tatsächlich umsetzen werden ist jedoch unklar. Zumindest FInanzsenator Sarazin ist bisher ein harter Verfechter der Privatisierungspolitik und hat für dass kommende Jahr bereits den Verkauf von über 15.000 Wohnungen der WBM angekündigt.
Auch die Immobilienbranche und die IHK in Berlin zeigen sich besorgt und kritisieren den Beschluss des SPD Landesparteitages. Rainer Uhde, Geschäftsführer der WVB-Wohnpark, die 5 500 Hellersdorfer Wohnungen des US-Investors Lone Star verwaltet: „Berlin braucht doch Investoren, sie so vor den Kopf zu stoßen, finde ich nicht richtig.  (…) Die glauben alle an die Zukunft von Berlin, da müssen wir stolz drauf sein.“ Die IHK verweist in einer Stellungnahme auf das „private kapital, dass in die Stadt geflossen“ sei und wirft der Berliner SPD fehelenden finanzpolitischer Sachverstand vor.
ausführlichere Berichte in Berliner Tageszeitungen:

Landeverbot für Heuschrecken? Wirtschaft kritisiert SPD-Beschluss

Partei will Wohnungen nicht mehr an Finanzinvestoren verkaufen

Briten, Amerikaner, Holländer – international agierende Finanzinvestoren haben in den vergangenen Jahren mehr als 100 000 Wohnungen in Berlin gekauft. Und das Interesse ist ungebrochen. So will beispielsweise das neu gegründete Unternehmen Puma Brandenburg, hinter dem britische Finanzinvestoren stehen, in den nächsten Jahren mehr als eine Milliarde Euro in deutsche Wohnimmobilien investieren – und sich dabei zunächst auf Berlin konzentrieren. Weitere Kaufinteressenten stehen bereit.
Doch für sie alle dürfte der Erwerb von Wohnungen nicht ganz einfach werden – zumindest wenn es nach der Berliner SPD geht. Die Genossen beschlossen nämlich am Sonnabend auf ihrem Parteitag, dass künftig keine landeseigenen Immobilien mehr an Finanzinvestoren verkauft werden sollen. Nach Ansicht der SPD geht es diesen Investoren nicht um langfristige Investitionen, sondern um schnelle Gewinne. Vorrang soll der Verkauf von Wohnungen an Mieter haben, an Genossenschaften, sowie an klein- und mittelständische Betriebe, so genannte Brancheninvestoren. Außerdem will die SPD die Zahl der landeseigenen Wohnungen auf 270 000 festschreiben – das bedeutet, es dürfen kaum noch Wohnungen verkauft werden. Denn zurzeit sind ohnehin nur noch rund 275 000 Wohnungen im Besitz der Stadt.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) übte gestern heftige Kritik am SPD-Beschluss. IHK-Sprecher Holger Lunau sagte, er sei „realitätsfern“. Gerade die international agierende Investoren hätten in den vergangenen Jahren viele Wohnungen saniert. „Wir fordern die SPD-Senatoren auf, sich an den Beschluss nicht gebunden zu fühlen“, so Lunau. Der Hauptgeschäftsführer des Berliner Mietervereins, Hartmann Vetter, lobte den Beschluss und rief die SPD-Senatoren auf, ihn ernst zu nehmen. Ähnlich äußerte sich die Linkspartei.PDS. Der Abgeordnete Carl Wechselberg sagte, „den Worten müssen jetzt Taten folgen“. Auf Distanz ging Wechselberg zu dem von der SPD beschlossenen Verkaufsverbot von Wohnungen an Finanzinvestoren. „Die alle über einen Kamm zu scheren, finde ich übertrieben“, sagte er. Es komme vielmehr darauf an, was der Erwerber mit den Wohnungen mache und ob er die Mieterschutzrechte akzeptiere.
Inwiefern der SPD-Parteitagsbeschluss in praktische Politik umgesetzt wird, ist noch offen. Die SPD-geführten Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung äußerten sich dazu gestern nur ausweichend. Zurzeit werde ein Gesamtkonzept für die landeseigenen Wohnungsunternehmen erarbeitet, sagten die Behördensprecher. Ob der SPD-Parteitagsbeschluss in das Konzept einfließe, wollten sie nicht sagen.
Auf Unverständnis stößt der SPD-Beschluss zum Verkaufsstopp an Finanzinvestoren in der Immobilienbranche. „Ich kann den Beschluss nicht nachvollziehen“, sagt Rainer Uhde, Geschäftsführer der WVB-Wohnpark, die 5 500 Hellersdorfer Wohnungen des US-Investors Lone Star verwaltet. „Berlin braucht doch Investoren, sie so vor den Kopf zu stoßen, finde ich nicht richtig“, sagt Uhde. Natürlich gebe es auch bei international agierenden Investoren Unterschiede. „Man muss sich nur den richtigen aussuchen.“ Der Manager meint: „Die glauben alle an die Zukunft von Berlin, da müssen wir stolz drauf sein.“
Schwierig könnte sich der SPD-Beschluss auf die Sanierungspläne der Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM) auswirken. Sie muss bis zu 15 700 Wohnungen verkaufen, um ihre Pleite abzuwenden – 3 000 davon in diesem Jahr. Die ersten 1 700 Wohnungen in der Dammwegsiedlung sind bereits ausgeschrieben. Die Resonanz darauf ist groß. Neben Berliner Unternehmen zeigen andere deutsche Firmen, aber auch ausländische Investoren Interesse am Kauf, sagte eine WBM-Sprecherin gestern. Die WBM will das Geschäft unbeirrt zum Abschluss bringen. Die WBM-Sprecherin sagte: „Wir schließen nicht von vornherein international agierende Kaufinteressenten aus. Es sind nicht alles Heuschrecken.“

http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/berlin/539829.html

SPD-Linke zieht in den Häuserkampf

Der Verkauf städtischer Wohnungen an Finanzinvestoren soll verboten werden. Ein Parteitagsbeschluss ist dazu in Vorbereitung

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Die SPD will auf einem Landesparteitag am Sonnabend den Verkauf städtischer Wohnungen an „international agierende Finanzinvestoren“ grundsätzlich ablehnen. Nur „kleinteilige Einzelbestände“ dürften noch privatisiert werden, um öffentliche Wohnungsunternehmen zu sanieren oder deren Bestände „zu bereinigen oder umzuschichten“.

Verkauft werden soll vorrangig an Mieter, Genossenschaften und mittelständische Branchenunternehmen. Etwa zwölf bis 15 Prozent des Berliner Wohnungsbestands sollen auf Dauer in öffentlichem Eigentum bleiben. Berlin liegt derzeit mit 14,7 Prozent auf dem Niveau Hamburgs und Frankfurts (Main). Grundlage eines solchen Parteitagsbeschlusses wird ein „Eckpunktepapier“ des linken SPD-Flügels sein, das dem Tagesspiegel vorliegt. Die „Berliner Linke“ vertritt die Mehrheit der Parteitagsdelegierten.

Große Finanzinvestoren hätten „systematisch kein Interesse“, die Substanz der Wohnungen langfristig zu erhalten, wird das weitreichende Verkaufsverbot im Thesenpapier begründet. Dem Parteifreund und Finanzsenator Thilo Sarrazin wird vorgeworfen, „im Widerspruch zur ganz überwiegenden Mehrheit“ in der SPD zu stehen, weil er kommunale Wohnungsunternehmen für entbehrlich halte. Die acht Leitsätze des Papiers sollen in einen Parteitagsantrag münden, der „flügelübergreifend konsensfähig ist“, kündigte der Sprecher der Linken, Mark Rackles, an. Auch der Vize-Landesvorsitzende Marc Schulte geht davon aus, dass die wohnungspolitischen Leitlinien der SPD-Linken „die Meinungsbildung in der Partei wiedergeben“.

Zwar wird im Thesenpapier eingeräumt, dass der Wohnungsmarkt in Berlin sehr entspannt und mieterfreundlich sei. Aber das gelte nicht flächendeckend, sondern nur für bestimmte Wohnungstypen und -größen. Außerdem könne sich die Situation mittel- und langfristig gravierend ändern. Benötigt würden die öffentlichen Wohnungsunternehmen, weil sie „dämpfenden Einfluss“ auf das Mietniveau hätten, das Wohnumfeld verbesserten, soziale Leistungen (Mieter- und Schuldnerberatung) anböten und Wohnungen für sozial schwache Bevölkerungsgruppen vorhielten.

Beklagt wird, dass die kommunalen Wohnungen in der Stadt ungleich verteilt sind. Sozial schwierige Bezirke wie Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg seien unterdurchschnittlich versorgt. Alle städtischen Wohnungsbaugesellschaften werden von der SPD-Linken aufgefordert, so eng wie möglich mit dem Senat zu kooperieren: bei der Investitions- und Instandhaltungsplanung, bei der Festlegung der Mieten und rechtzeitig vor dem geplanten Abriss oder Verkauf von Wohnungen.

Die wirtschaftliche Konsolidierung der Unternehmen soll konsequent fortgesetzt werden. Problematisch bleibe der hohe Schuldenstand. Die städtischen Gesellschaften stehen bei den Banken mit 7,75 Milliarden Euro in der Kreide.

http://archiv.tagesspiegel.de/archiv/28.03.2006/2430167.asp

Widerstand gegen Wohnungsverkäufe wächst

Von Gilbert Schomaker

Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) droht eine empfindliche politische Niederlage. Die einflußreiche Berliner Linke (BL), die weite Teile der Berliner Sozialdemokratie dominierte, lehnt den Verkauf von städtischen Wohnungen in größerem Stil ab. In einem Eckpunktepapier greift die BL den Finanzsenator direkt an.
Die notwendige Klarheit in dieser Frage habe durch Äußerungen des Finanzsenators gelitten, der die öffentlich gehaltenen Wohnungsbestände aus grundsätzlichen Erwägungen heraus für entbehrlich hält. „Diese Position wird im Widerspruch zur ganz überwiegenden Mehrheit in SPD-Fraktion und SPD-Landesverband vertreten“, schreiben die Autoren der SPD-Gruppierung.
In ihrem Papier befürchten sie, daß die Mieten mittelfristig in Berlin wieder ansteigen werden. Deswegen sei es wichtig, etwa 12 bis 15 Prozent aller Wohnungen im städtischen Besitz zu halten. Das soll auf dem am 1. April anstehenden Parteitag festgeschrieben werden, um den Wohnungsmarkt beeinflussen zu können. Die Wohnungsbaugesellschaften sollen in einem gesamtstädtischen Konzept enger zusammenarbeiten, um Kosten zu sparen.
Wegen der hohen Schulden von 7,75 Milliarden Euro sollen die Wohnungsbaugesellschaften, die in der Vergangenheit auch Millionenbeträge an den Landeshaushalt abgeführt haben, entlastet werden. Die Berliner Linke schlägt vor, Dividendenerwartungen zurückzustellen, auf Gewinnabschöpfung bei der Entlassung aus Sanierungsgebieten zu verzichten. Genau eine solche Renditeanforderung hatte aber immer wieder der Finanzsenator an die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften gestellt.
Im Gegensatz zu Sarrazin lehnt die wichtige SPD-Gruppierung auch Paketverkäufe mit Tausenden von Wohnungen oder den Verkauf ganzer Wohnungsbaugesellschaften ab. Städtische Wohnungen dürften nicht an Finanzinvestoren fallen, die nur mittelfristig, nämlich 10 bis 15 Jahre, planen. Da gebe es die Gefahr, daß nicht in die Substanz der Wohnungen investiert werde. Nur Notverkäufe zur Konzernsanierung seien erlaubt. Dann sollen die Wohnungen aber den Mietern, dann Genossenschaften und erst dann Finanzinvestoren angeboten werden.
Finanzsenator Sarrazin sagte gestern, daß er einen Verkauf von 8000 bis 11 000 Wohnungen zur Rettung der Wohnungsbaugesellschaft Mitte für notwendig hält. Weil der Senat notfalls mit Geld das Unternehmen stützen will, haben die Banken das Aussetzen der Tilgung für ein Jahr beschlossen.
Aus der Berliner Morgenpost vom 24. März 2006

http://morgenpost.berlin1.de/content/2006/03/24/berlin/818674.html

IHK: SPD-Linken fehlt finanzpolitischer Sachverstand

Das innerhalb der SPD diskutierte Verkaufsverbot städtischer Wohnungen an „international agierende Finanzinvestoren“ zeugt nach Ansicht der IHK Berlin von fehlendem finanzpolitischen Sachverstand. „Sollten sich die SPD-Linken auf einem Parteitag am Samstag mit einem solchen Antrag durchsetzen, wäre das eine schwere Hypothek für alle kommunalen Wohnungsbaugesellschaften“, kritisierte heute der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Ludger Hinsen. Denn gerade ausländische Unternehmen hätten in den vergangenen Jahren große Wohnungsbestände saniert. Viele kommunalen Wohnungsbaugesellschaften wären aufgrund ihrer prekären finanziellen Lage dazu nicht im Stande gewesen.
„Nur noch einen kleinteiligen Verkauf von Wohnungen an Mieter, Genossenschaften und mittelständische Branchenunternehmen zuzulassen, ist der falsche Weg“, betonte Hinsen. Die Privatisierung einer kompletten Gesellschaft dürfe nicht ausgeschlossen werden. In der Vergangenheit habe sich gezeigt, dass sowohl die Gesellschaften als auch die Mieter vom Verkauf großer Bestände profitieren. Zudem sei privates Kapital in die Stadt geflossen, das bei der Sanierung von Wohnungen insbesondere kleinen und mittelständischen Firmen zu Aufträgen verholfen hat.
Der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer verwies auch darauf, dass der Plan des linken SPD-Flügels die Konsolidierungspolitik von Finanzsenator Thilo Sarrazin konterkariert. Das sei angesichts der Klage Berlins vor dem Bundesverfassungsgericht auf Entschuldungshilfen des Bundes kontraproduktiv. Hinsen: „Mit einer falschen Finanzpolitik kann Berlin von den anderen Bundesländern keine Hilfe erwarten.“
Aus IHK-Sicht gibt es keinen ersichtlichen Grund – auch nicht aus Mieterinteressen -, dass die öffentliche Hand Wohnungsbaugesellschaften besitzen muss. Die Mieten für landeseigene Wohnungen sind nicht günstiger als bei privaten Gesellschaften. Auch auf dem Wohnungsmarkt gilt das Prinzip, wonach Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen und nicht die Eigentumsverhältnisse. In Berlin stehen rund 100.000 Wohnungen leer. Schon aus ordnungspolitischen Gründen sollte sich der Staat von Wohnungsbaugesellschaften trennen. Der Schutz sozial Schwacher ist auch ohne landeseigene Gesellschaften gesichert. Die öffentliche Hand kann zum Beispiel für sozial Benachteiligte Belegungsrechte sichern oder Mietkosten übernehmen.
Pressemitteilung der IHK Berlin vom 28.03.2006
 http://www.berlin.ihk24.de/BIHK24/BIHK24/produktmarken/index.jsp?url=http%3A//www.berlin.ihk24.de/BIHK24/BIHK24/servicemarken/presse/presseinfo/pressemeldungen/SPDWohn.jsp

Neues Deutschland: Lafontaine mahnt Kommunalpolitiker der Linken –

Berlin (ots) – Der Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Oskar Lafontaine, hat Kommunalpolitiker der Linkspartei gemahnt, sich gegen eine weitere Privatisierung öffentlichen Eigentums zu stellen. »Wer neoliberalen Politikinhalten anhängt, ich will das ja respektieren, ist besser in einer anderen Partei als in der neuen Linken aufgehoben«, sagte Lafontaine der Tageszeitung »Neues Deutschland« (Montagausgabe). Die Linke habe »nur eine Berechtigung im Parteienspektrum der Bundesrepublik, wenn sie sich dem Neoliberalismus widersetzt«. Es gebe sowohl eine Verpflichtung gegenüber den Wählern als auch gegenüber der eigenen Partei. Diese dürfe man »nicht kalt lächelnd zur Seite schieben, wie es einige selbstherrliche Mandatsträger tun«. Selbst einige Politiker in Union und SPD würden inzwischen ein »Ende des Privatisierungswahns«
fordern. Zwischen dem Vorsitzenden der Bundestagsfraktion der Linken und Stadträten der Linkspartei in Dresden war es kürzlich zu einem Konflikt über den geplanten Verkauf der Dresdner Wohnungsbaugesellschaft Woba gekommen. Lafontaine sieht in solcher Privatisierung eine »verderbliche Entwicklung«, wie er im ND-Interview sagte. Er möchte »keine Gemeindeparlamente haben, in denen die Abgeordneten nur noch Daumenlutschen können, weil sie nichts mehr zu entscheiden haben, weder über Mieten, Gas und Wasser, noch über die Friedhofs- und Parkgebühren. Markt und Gesellschaft können nur funktionieren, wenn es einen starken öffentlichen Sektor gibt.«
Quelle: Neues Deutschlan, 12.02.2006 >>> http://www.presseportal.de/story.htx?nr=784899&firmaid=59019

Regierungskrise stoppt Privatisierung

DIE SLOWAKEI schiebt den Verkauf von Staatsbetrieben wie der Güterbahn auf die lange Bank.
PRESSBURG. Die ehrgeizigen slowakischen Privatisierungsprojekte scheinen auf einen Schlag gestoppt. Wegen der Regierungskrise und des Vorziehens der Parlamentswahlen sagte Regierungschef Mikulas Dzurinda gestern, Dienstag, in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinen verbliebenen Regierungspartnern, dass es wohl nicht mehr zu schaffen sei, weitere Privatisierungen durchzuführen. Deshalb werde er bei den für heute geplanten Verhandlungen mit den Führern der anderen Parteien über Wahltermine einen Privatisierungsstopp „fünf Monate vor dem vereinbarten Wahltermin“ anbieten. Also vermutlich ab sofort.
Für die ÖBB, die sich um den Kauf der Slowakischen Güterbahn bemühen, ist das eine Hiobsbotschaft: Die Privatisierung der lukrativen Slovak Cargo liegt nun wohl aus politischen Gründen auf Eis. Allerdings lief das Verfahren schon bisher nicht reibungslos. Laut ursprünglichen Regierungsplänen sollte über der Verkauf noch vor Ende 2005 entschieden werden. Ähnlich wie in der Ausschreibung für die Flughäfen Bratislava (früher Pressburg) und Kosice (Kaschau) gab es auch hier schon erste Skandale, etwa weil in den Medien Informationen „aus nicht genannter Quelle“ über die vermutlich gebotenen Preise kursieren, obwohl sie laut Ausschreibung als geheim zu gelten haben, bis die Entscheidung gefallen ist. Einen Skandal um weitere Zweifel an der Korrektheit des Verfahrens wird sich der zur Dzurinda-Partei gehörende Verkehrsminister Pavol Prokopovic nicht mehr antun wollen. Teile der Opposition wollten schon wegen der Flughafenprivatisierung seine Abberufung.
Der Verkauf der Flughäfen an das Konsortium TwoOne um den Flughafen Wien sollte hingegen noch über die Bühne gehen. Hier ist, wie berichtet, der Regierungsbeschluss bereits gefallen. Allerdings ist der Zuschlag noch nicht 100-prozentig fix: Wenn das Antimonopolamt seine Zustimmung nicht bis spätestens 15. August erteilt oder andere unerwartete Hürden auftreten, wird der Zuschlag für TwoOne laut Ausschreibungsbedingungen ungültig.
Oppositionsführer Robert Fico sagte wiederholt, wenige Monate vor den ursprünglich für September geplanten Parlamentswahlen noch das Familiensilber zu verkaufen, sei ein „Skandal“. Sollte Fico die Wahl – wie erwartet – gewinnen, so will er „alle rechtlich möglichen Mittel“ einsetzen, um die Privatisierung zu stornieren.
Um der Opposition den Wind aus den Segeln zu nehmen, hatte die Regierung schon vor zwei Wochen beschlossen, nur mehr die bereits laufenden bzw. vorbereiteten Privatisierungen unter Dach und Fach zu bringen und dann ab 1. April nichts mehr zu verkaufen.
Unrealistisch sind vermutlich alle anderen Privatisierungsprojekte: Verbliebene Staatsanteile an zwei der drei Strom-Regionalversorger sollten ebenso verkauft werden wie elf lokale Linienbus-Gesellschaften und Anteile an Wärmekraftwerken. In großem Zeitverzug ist der schon im Februar 2005 beschlossene Verkauf von 66 Prozent am Stromkonzern Slovenské Elektrárne (mit den Atomkraftwerken Mochovce und Bohunice) an die italienische Enel. Hier sind immer noch nicht alle Details geklärt.
Christoph Thanei, Die Presse vom 08.02.2006
Quelle: http://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=eo&id=537717

Entschieden einseitig. Gegen Privatisierungen veranstaltet Berliner Mietergemeinschaft am 11. Februar eine erste Konferenz. Konzentrierte Diskussion zu Folgen der Enteignung der oeffentlichen Hand erwartet.

Am Anfang stand ein bedauerlicher Befund. Auf der Suche nach Bündnispartnern im Kampf gegen Privatisierungen des öffentlichen Wohnungsbestandes in der Hauptstadt traf die Berliner Mietergemeinschaft auf wenig Zuspruch. Wie Andrej Holm am Dienstag auf einer Pressekonferenz berichtete, fand man sich unverständlicherweise weitgehend isoliert. All die vielen Argumente, alle Hinweise auf die Schäden, die den Mietern und dem Gemeinwesen aus dem Verkauf von Wohnungen entstehen, wurden nicht berücksichtigt. Quer durch alle Parteien im Berliner Abgeordnetenhaus gehe ein Konsens: Nicht das Ob, sondern höchstens das Wie von Privatisierungen sei noch umstritten. Was dabei den einen die wohltuende Wirkung des Marktes, sei den anderen der unhintergehbare Sachzwang der Globalisierung. Innerhalb von zehn Jahren wurden bis 2005 in Berlin etwa 210 000 Wohnungen verkauft – 55 Prozent davon in der Zeit des SPD-PDS-Senates. Höchste Zeit also, sich anderswo nach Bündnispartern umzusehen.  
Widerlegung der Mythen
Am 11. Februar zieht die Mietergemeinschaft auf einer Konferenz im Berliner DGB-Haus Bilanz. Offenbar führte die Suche nach entschiedenen Privatisierungsgegnern zu vielfältigem Erfolg. Da ist der Donnerstagskreis der Linken in der Berliner SPD, für den Gerlinde Schermer engagiert wie eh und je gegen die Verbetriebswirtschaftlichung der öffentlichen Haushalte streitet. Da sind Kollegen aus dem gewerkschaftlichen Bereich und – nicht zuletzt – kritsche Wissenschaftler. Zusammen können sie den Bogen schlagen von einer Widerlegung der Mythen der Privatisierer über die Bereiche Wohnen, Gesundheitswesen und Wasser bis hin zur politischen Praxis. Denn die Konferenz ist entschieden einseitig, wie Joachim Oellerich von der Mietergemeinschaft hervorhob, den Privatisierern wolle man nicht noch ein Podium bieten, auf dem sie ihre »Der Markt wird’s schon richten«-Position ausbreiten können. Der thematischen Breite und Qualität der Debatte muß das aber keinen Abbruch tun, im Gegenteil. An wenigen Orten im Lande wird sich eine so konzentrierte Diskussion zu den Voraussetzungen und Folgen der Enteignung der öffentlichen Hand organisieren lassen wie in Berlin, wo seit 1996 der Verkauf öffentlichen Eigentums Senatsdoktrin ist. 
Großverkäufe am Pranger
Der Reigen der Großverkäufe begann 1997 mit dem Stromversorger BEWAG. Bereits nach vier Jahren verkaufte der Ersterwerber Southern Energy die BEWAG weiter an Vattenfall – zu 150 Prozent des ursprünglichen Kaufpreises von 1,45 Milliarden Euro. Die beachtliche Wertsteigerung ging nicht auf einen Ausbau des Unternehmens zurück: Die Beschäftigtenzahlen wurden halbiert, die Investitionen auf einen Bruchteil zurückgefahren. Die Befunde beim Gasversorger GASAG und den teilprivatisierten Wasserbetrieben fallen nicht anders aus: Die Preise für Gas, Wasser und Strom steigen, die Investitionen und die Belegschaften werden von den privaten Eigentümern massiv reduziert.  Dabei ist es gerade der angestaute Investitionsbedarf der öffentlichen Hand, der zur Legitimation von Privatisierungen angeführt wird: Die Mobilisierung privaten Kapitals für öffentliche Aufgaben in »öffentlich-privaten-Partnerschaften« endet aber selbstverständlich immer mit der Bereicherung der Privaten und der weiteren Einschränkung der Daseinsvorsorge. Die Konferenz wird deshalb Folgen haben müssen. Vielleicht lassen sich verbindliche Verabredungen treffen, um der Hegemonie der Privatisierer etwas entgegenzusetzen – nicht nur im Berliner Wahljahr 2006, nicht nur in Berlin.  
 
Sebastian Gerhardt, junge welt, 08.02.2006

Postprivatisierung in Oesterreich: Schelte gruener Gewerkschafter fuer Van der Bellen

Die Presse berichtet am 17.01.2006, dass die Idee einer Vollprivatisierung auf heftigen Widerstand stößt.
Die Alternativen und Grünen Gewerkschafter (Auge/
UG) kritisieren die Aussagen von Grünen-Parteichef Alexander van der Bellen zum Post-Börsegang heftig. Von der Bellen lehnt eine Vollprivatisierung der Post nicht ab, wenn die Versorgungssicherheit gewahrt bleibt. Genau „unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit der Bevölkerung mit Postdienstleistungen wirkt eine Privatisierung derartiger Infrastrukturunternehmen absolut kontraproduktiv“, konterte die Grüne Gewerkschaft.
„Wenn bereits jetzt schon hunderte Postämter geschlossen und tausende Mitarbeiter abgebaut worden sind, kann sich jeder ausmalen, was wohl passieren würde, wenn ein Unternehmen wie die Post voll privatisiert ist“, sagte wiederum Markus Koza, Bundessekretär von Auge/UG. Die Gewerkschaft fürchtet auch um die soziale und arbeitsrechtliche Absicherung der Postler für den Fall, dass im Zuge der Liberalisierung immer mehr Teilzeit-Jobs geschaffen würden.
Ludwig Dvorak, der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Österreich, nannte die Aussagen Van der Bellens als „weiteren Kniefall vor der ÖVP“: „Es ist unglaubwürdig, sich globalisierungskritisch zu geben, nur um dann der Privatisierung öffentlicher Dienste zuzustimmen.“
Quhttp://www.diepresse.com/Artikel.aspx?channel=e&ressort=eo&id=532434elle:

Ausgliederungen kommunaler Dienstleistungen. Haeupl bestreitet Dissonanzen in der Stadtregierung. Denken erwuenscht, aber keine Privatisierung der Daseinsvorsorge

Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (S) hat am Dienstag in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Vizebürgermeister Sepp Rieder (S) bestritten, dass es zwischen ihnen beiden in Sachen Ausgliederung bzw. Privatisierung kommunaler Dienstleistungen Meinungsverschiedenheiten gebe. Eine Dissonanz bestehe höchstens zwischen Titel und Inhalt jenes „Presse“-Interviews, das die Debatte ausgelöst hatte.
In den Jahrzehnten der Zusammenarbeit in der Stadtregierung sei die gemeinsame, unmissverständliche Linie immer gewesen, „dass wir der Privatisierung von Leistungen der Daseinsvorsorge ganz sicher nicht das Wort reden“, stellte Häupl klar. Die Frage der Organisation und damit auch der möglichen Ausgliederung habe man dagegen rein pragmatisch zu sehen.

Nachdenken erlaubt
Das Nachdenken darüber sei erlaubt, „ob man es dann macht, oder nicht macht, ist eine andere Frage“, so der Bürgermeister: „Denken ist in der Wiener Verwaltung erlaubt und gewünscht. Wer Visionen hat, der komme ins Rathaus.“
Bei der Abwasser- und Müllentsorgung „ist die Erkenntnis relativ einfach, dass man es nicht ausgliedert“, erklärte der Bürgermeister. EU-Richtlinien und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs einerseits und Maastricht-Vorgaben andererseits sprächen dagegen. Rieder ergänzte am Rande der Pressekonferenz, dass auch die Cross-Border-Leasing-Verträge für Teile der Wiener Kanalisation eine Ausgliederung unmöglich machten.
Quelle: http://derstandard.at/?id=2299727

Privatisierung des Uniklinikum Giessen-Marburg

Die Financial Times Deutschland berichtet:
Gesundheitswirtschaft: Klinisches Experiment
Es ist die Stunde der großen Gefühle. Als der hessische Ministerpräsident Roland Koch vor die Presse tritt, um zu verkünden, dass das Universitätsklinikum Gießen-Marburg privatisiert wird, sagt er, der Standort werde künftig europaweit in einer anderen Liga spielen.
Bei dem Unternehmen, das den Zuschlag für die bundesweit erste Privatisierung dieser Art erhält, ist die Euphorie nicht minder groß. „Wir werden das Uniklinikum Gießen-Marburg zum Flaggschiff des Konzerns machen“, sagte der Vorstandsvorsitzende des Rhön-Klinikums, Wolfgang Pföhler.
Ob diesen Gefühlen bald der Katzenjammer folgt oder sich das Vorzeigeprojekt zur Erfolgsgeschichte entwickelt, darauf blickt nicht nur die Klinikbranche mit großer Spannung. Eines ist klar: Die Unikliniken können nicht mehr weiterwirtschaften wie bisher. Zwei Drittel der derzeit 34 Häuser schreiben rote Zahlen, die Zukunftsaussichten sind düster. Ihnen bleibt nur eine Chance: die Flucht nach vorn.
Noch gilt es in der Politik als Tabubruch, einen privaten Investor ins Allerheiligste der deutschen Medizin zu holen. Kritiker sehen die Unabhängigkeit von Forschung und Lehre in Gefahr, Mitarbeitervertreter und Gewerkschafter bangen um Stellen. Verdi kritisiert die Entscheidung der Landesregierung als „neue Qualität des Ausverkaufs staatlicher Leistungen“.

Finanzieller Abgrund
Dass die Situation ernst ist, wird allerdings selbst von den Kritikern eingeräumt. Die Universitätskliniken stehen vor dem finanziellen Abgrund. Allein durch die Abrechnung per Fallpauschalen gehen den Kliniken 450 bis 600 Mio. Euro verloren, schätzen Experten. Die Bundesländer, die selbst unter chronischer Geldnot leiden, können diese Lücken nicht stopfen.
Als Retter aus dem Siechtum bieten sich die privaten Klinikketten an. Sie sind begierig darauf, zu beweisen, dass sie nicht nur defizitäre Provinzkrankenhäuser übernehmen, sondern auch Hightech-Häuser aus dem Minus manövrieren können. „Das ist eine Sache des Prestiges“, sagt Analyst Hartmut Schmidt von HPS Research. Wer Zugang zur Hochleistungsmedizin hat, kann Spitzenkräfte an sich binden und sich eine gute Ausgangsposition für frisches Geld vom Kapitalmarkt verschaffen, um für weitere Akquisitionen gerüstet zu sein.
Was sich in Gießen und Marburg, den beiden nur 30 Kilometer voneinander entfernten Kliniken, in den vergangenen Jahren abspielte, ist symptomatisch für die gesamte Branche. Aus eigener Kraft gelang es den beiden Standorten nicht, sich aus dem Sumpf zu ziehen. In Gießen fehlte jahrelang Geld für Neubauten und Renovierungen, weil die öffentlichen Fördertöpfe leer waren. Ein Investitionsstau von mehr als 200 Mio. Euro baute sich auf. Zwischenzeitlich mussten sogar OP-Säle geschlossen werden, da die hygienischen Zustände zu wünschen übrig ließen.

Fusion und Bieterwettkampf
Marburg dagegen schrieb zuletzt schwarze Zahlen und verfügt über moderne Gebäude, konnte aber in der Spitzenforschung international nur in einigen Fachbereichen mithalten. Ende 2004 verkündete schließlich Ministerpräsident Koch, die beiden Häuser zu verschmelzen und bis Ende 2005 an einen privaten Investor zu verkaufen. Im Bieterwettkampf waren neben Rhön die Klinikketten Helios und Asklepios bis zuletzt im Rennen.
Für den Käufer Rhön-Klinikum, der 41 Krankenhäuser in Deutschland betreibt, gibt es nach der Entscheidung jede Menge Vorschusslorbeeren. Der Börsenkurs des MDax-Unternehmens kletterte nach oben. „Mit der Übernahme wird der Netzwerkgedanke bei Rhön entscheidend gestärkt“, sagt Analyst Christian Cohrs von der HypoVereinsbank in München.
Die Wachstumsstrategie von Rhön – bis 2015 will das Unternehmen seinen Marktanteil von heute drei Prozent auf bis zu zehn Prozent ausbauen – ist an den Aufbau von Versorgungsnetzen geknüpft. Die Krankenhauskette setzt auf so genannte Teleportalkliniken: Kleinere Krankenhäuser, vorwiegend auf dem Land, sind über Computer mit Spezialisten in anderen Häusern vernetzt. Die dortigen Experten erhalten Laborwerte oder Computertomografie-Bilder, mit Hilfe derer sie einen Befund erstellen. In diesem System ist ein Uniklinikum ein sehr attraktiver Baustein.
Von Stefanie Kreiss und Sabine Rössing
Aus der FTD vom 22.12.2005 >>> http://www.ftd.de/ub/gw/35816.html