taz: Privatisierung von unten

In Berlin wird über die Konsequenzen der Finanzkrise für eine solidarische Ökonomie diskutiert.

Gleichzeitig entstanden mehrere außeruniversitäre Initiativen: das „Netz – für Selbstverwaltung und Kooperation Berlin-Brandenburg e. V.“, „ein Zusammenschluss innovativer Klein- und Kleinstunternehmen und Projekte“ im Kreuzberger Alternativprojektzentrum Mehringhof. Ferner die ebenfalls dort regelmäßig tagende Initiative „Anders arbeiten oder gar nicht“. Und der damit zusammenhängende gemeinnützige Verein „Teilhabe e. V.“, dem es um den Aufbau eines „Erwerbslosenzentrums“ geht. Dazu wurde in Neukölln bereits der „Erwerbslosentreff in der ,Lunte‚“, Weisestraße 53, gegründet, wo man sich mit „solidarischer Ökonomie“ und „Genossenschaften“ befasst.
Dies sind nur einige der Westberliner Initiativen. Es müssten hier mindestens noch einmal so viele Ostberliner Initiativen dazugezählt werden, die sich etwa um die Rosa-Luxemburg-Stiftung, den Verein Helle Panke und ähnliche PDS-nahe Organisationen herum gruppierten. Sie alle diskutierten auch und immer wieder über Vergenossenschaftungen, selbstverwaltete Betriebe und Selbsthilfeprojekte, erwogen ihr Für und Wider, sammelten diesbezügliche Erfahrungen aus so ziemlich allen Ländern und Erdteilen der Welt (z. B. über die rund 300 besetzten Betriebe in Argentinien) und publizierten darüber eine große Zahl von Büchern und Internettexten.

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Finanz- als Privatisierungskrise

privateequity.jpgDas Private Equity Geschäft stockt: 2008 wurden in Europa fremdfinanzierte Übernahmen im Wert von 73 Mrd. Euro abgeschlossen. Das sind 60 Prozent weniger als 2007, als das Geschäftsvolumen noch 184,9 Mrd. Euro betragen hatte; in Großbritannien brach der Private-Equity-Markt um 80 Prozent ein und rutschte zum ersten Mal seit 15 Jahren unter 1 Mrd. Pfund (FTD 12.01.09). Insbesondere Private Equity Fonds wie Cerberus, aber auch Blackstone oder KKR, erleiden in der Finanz- und Wirtschaftskrise milliardenschwere Verluste und können nicht mehr ausreichend Kredite aufnehmen. Schätzungen prognostizieren Kapitalabflüsse von über 140 Mrd. Euro im Jahr 2009 (FTD 1.12.08).

Zahlreiche Pensionsfonds, Stiftungen, Banken und Versicherungsunternehmen oder US-Universitäten erwägen, ihre Private-Equity-Portfolios zu verkaufen, insbesondere angeschlagene Banken und Versicherungsunternehmen wie AIG. Fraglich ist, ob sich die extrem günstigen Kreditbedingungen bis 2007 nach der Krise wieder in dieser Weise herstellen lassen und das Geschäftsmodell überhaupt in diesem Maßstab weitergeführt werden kann. Das traditionelle Private Equity Geschäftsmodell besteht darin, mit einem hohen Anteil an Fremdkapital Unternehmen zu kaufen, diesen die Schulden aufzubürden, sie zu restrukturieren und dann gewinnbringend zu verkaufen. Doch das funktioniert nicht mehr: Nicht nur halten sich Banken mit der Kreditvergabe zurück.

Standard & Poor’s zufolge stieg verdoppelte sich bereits 2008 die Zahl der Unternehmen, die ihre Verbindlichkeiten nicht einlösen können. „Wenn Europa in eine Rezession rutscht, und Beteiligungsgesellschaft nicht länger ihre Portfoliounternehmen am Leben halten, werden sich die Finanzierungsprobleme verstärken“, so S&P (FTD 12.11.08). Die Beteiligungen der Fonds verlieren rasant an Wert und bringen einige Private Equity Fonds selbst in Zahlungsschwierigkeiten.

Zu erwarten ist das möglicherweise die großen Staatsfonds China, der arabischen Staaten und anderer in Zukunft eine größere Rolle bei der Finanzierung von Privatisierungen spielen werden (vgl. Kaufmann 2008), aber auch von Private Equity Fonds selbst. Bereits mit der Finanzkrise stiegen die Staatsfonds zu kapitalbringenden Rettern angeschlagener Banken auf. Alle größeren US-amerikanischen Banken wie die Citigroup und Merrill Lynch oder die einst größte Bank der Welt, die Schweizer UBS stockten ihr Eigenkapital mit Hilfe ausländischer Staatsfonds auf, um den Zusammenbruch abzuwenden. Allerdings haben auch die Staatsfonds in der Krise eine Abwertung ihrer Vermögen in Höhe von durchschnittlich 40 Prozent hinnehmen müssen. Der chinesische Staatsfonds CIC bspw. musste bei Beteiligungen an der US-Bank Morgan Stanley und dem Finanzinvestor Blackstone seit 2007 mehr als drei Viertel ihres Marktwerts verkraften. Ähnlich erging es der Kuwait Investment Authority (KIA) mit ihrer Beteiligung an der Citigroup. Angesichts der schlechten Ergebnisse und den Folgen der Krise in den Herkunftsländen der Fonds, steigt der Druck, im eigenen Land zu investieren. Der Wert der Investitionen in Mitgliedern der OECD fiel 2008 rapide: von 37 Mrd. Dollar im ersten Quartal auf 8 Mrd. Dollar im dritten Quartal. Fast die Hälfte der Transaktionen tätigen Staatsfonds wieder in den jeweiligen Heimatmärkten (FTD 14.01.09). Trotz Legitimationsschwierigkeiten und zunehmenden Protesten wird zwar an Privatisierungen von Seiten der Regierungen festgehalten. Größere und kleinere Privatisierungsvorhaben müssen jedoch abgesagt oder auf unbestimmte Zeit verschoben werden, weil es an zahlungsfähigen Investoren mangelt. Besonders augenfällig im falle der Deutschen Bahn, aber auch auf Kommunaler Ebene: „Derzeit gibt es keine Käufer, die interessante Preise zahlen“ (MZ 04.11.08), erklärt Jost Riecke, Chef des Verbandes der kommunalen Wohnungswirtschaft. Insgesamt erreichten die Einnahmen aus Privatisierungen in Deutschland 2008 mit ca. 4,7 Mrd. Euro einen Tiefststand und blieben mit rund sechs Mrd. Euro hinter den Erwartungen der Planungen zum Bundeshaushalt zurück.