In den USA gibt es weite Landstriche, die frei von gewerkschaftlicher Organisierung sind. In dem Artikel Schlimmer als in den 50ern. Studie zu Organisierung in den USA: Kollektive Tarifverhandlungen kaum noch möglich. Nicht nur Konzerne behindern Gewerkschaften, auch Politik greift ein von Claudia Wrobel in der Jungen Welt ist zu lesen, dass besonders der Süden der USA betroffen ist. Hier spielen sich Konzerninhaber*innen und -vertreter*innen mit Politiker*innen die Bälle zu, um jede Form von Organisierung zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu unterbinden. Mitunter wird der Arbeitskampf um Tarifverträge auch gesetzlich mehr und mehr erschwert.
Als Beispiel führte er den deutschen Autobauer VW an, dessen Beschäftigte im Werk in Chattanooga (Tennessee) eine gewerkschaftliche Vertretung wollten. Die örtlichen Politiker meldeten sich in Kampagnen kurz vor einer entsprechenden Abstimmung unter den Angestellten zu Wort und malten in düstersten Farben, wie sehr Arbeitsplätze in Gefahr seien, wenn eine Gewerkschaft zugelassen würde. Dieses Beispiel belegt für Sozialwissenschaftler zwei Dinge. Zum einen, dass der Kampf gegen eine starke und selbstbewusste Belegschaft momentan so ideologisch geführt wird wie kaum jemals zuvor und sich die Fronten innerhalb des Zweiparteiensystems noch einmal verhärtet haben. Zum anderen, dass europäische Firmen – sogar diejenigen, die in ihren Heimatstaaten die Notwendigkeit von Gewerkschaften bejahen –, sobald sie in die USA kommen, die dortigen Normen annehmen. Hier seien die Gewerkschaften in Deutschland gefragt, mit den Kollegen vor Ort zusammenzuarbeiten und gemeinsame Aktionen durchzuführen, vor allem aber die Konzernleitung in Europa unter Druck zu setzen. Denn langfristig gefährde dies auch die Gewerkschaften in anderen Teilen der Erde, ist sich McCartin sicher.
Da es für Beschäftigte in den Vereinigten Staaten so schwierig ist, kollektiv Verbesserungen durchzusetzen, gehen einige Gewerkschaften mittlerweile unkonventionelle Wege, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. So haben sich Tomatenpflücker eines sehr großen Herstellers, der sich weigerte, einen Tarifvertrag und damit Verbesserungen einzuführen, an die Großkunden der Firma gewandt. Sie drohten mit Boykott, sollten sich große Fastfoodketten und Supermärkte nicht bereiterklären, einen Cent pro Pfund Tomaten mehr zu bezahlen. Dieses Geld ging über einen Fonds direkt an die Pflücker. »Natürlich war das nicht ganz legal, denn die Kunden sind nicht die Arbeitgeber und somit nicht die Verhandlungspartner der Landarbeiter«, so McCartin, aber dafür sei es umso erfolgreicher gewesen. Dieser Wille zum zivilen Ungehorsam, Gesetze zu brechen, die den Arbeitskampf und die Gewerkschaftsfreiheit einschränken, ist für ihn die einzige Möglichkeit, die gewerkschaftliche Bewegung zu retten und am Leben zu erhalten – in den USA und langfristig auch in Europa.
Denn, wie auch einleitend in dem Artikel erwähnt, ist in der Geschichte Westeuropas die USA oft in negativer Hinsicht in der Einführung neoliberaler Arbeits- und Lebensbedingungenvon Vorreiterin gewesen. In positiver Hinsicht ließe sich jedoch eine erfrischende Perspektive an der Form von Arbeitskämpfen, wie am Beispiel der Landarbeiter*innen beschrieben, ausmachen.